Skiurlaub:Die große Sause

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Was Vierjährige erleben, wenn sie erstmals auf die Piste gehen

Lotta kann fast alles. Sogar Ski fahren. Gut, Slalom noch nicht, aber das kann die Lotta von Astrid Lindgren auch nicht gerade gut. Also, Lotta kann in Skischuhen über den Schnee stapfen, sie kann mit angeschnallten Skiern wieder aufstehen, wenn sie hingefallen ist, sie beherrscht den Schneepflug, sie kann Sessellift fahren, in Bogen um Pylonen herumkurven und natürlich Schussfahren. Das, ehrlich gesagt, konnte sie von Anfang an. Oh ja, der Anfang. "Ich sehe mir die Skischule erst mal an", hatte Lotta am ersten Urlaubstag in Oberlech verkündet. Als fast Vierjährige will sie zwar einerseits unbedingt alles machen, was nach Schule klingt. Andererseits hätte sie es aber schon gern, wenn Mama oder Papa neben ihr die Schulbank drücken. Und so war es dann auch: Nach einem tränenreichen ersten Vormittag, den Lotta allein in der Kinderskischule verbracht hatte (also ohne Eltern, aber mit vielen anderen Kindern und drei Skilehrern), leisteten ihr die Erziehungsberechtigten fortan Gesellschaft im Kinderland.

(Foto: N/A)

Kinderland, so heißt in Oberlech das Areal, auf dem die als 5b Klassifizierten, also die absoluten Anfänger, herumrutschen. Das flache Gelände ist mit Förderbändern in drei Schwierigkeitsgraden bestückt und mit bunten, laut Aufdruck schwer entflammbaren, schimmelfreien Schaumstoff-Kissen eingerahmt, die eigentlich die ungebremst heransausenden Kinder auffangen sollen, in Wirklichkeit aber von Eltern und Großeltern als Sitzgelegenheit genutzt werden. So manche Mutter dürfte ihren kompletten Skiurlaub auf diesen Kissen abgesessen haben, weil der schreiende Zögling sie nicht auf die Piste entlassen wollte.

"Man kann nicht sagen: Hier habt ihr mein Kind und Tschüss!", meint Anna Hörbst, die Leiterin der Kinderskischule Oberlech. Seit 23 Jahren bringt sie hier dem Nachwuchs das Skifahren bei. Sie weiß um die Problematik der Trennung und rät deshalb allen Eltern, bereits vor dem Urlaub mit dem Kind über die Skischule und den Tagesablauf zu sprechen. "Viele Eltern erwarten zu viel. Manche geben ihr Kind am ersten Tag noch völlig übermüdet von der Anreise ab und wollen es erst nachmittags wieder abholen. Das machen wir in der Regel nicht mit, denn für die jüngeren Kinder ist das Mittagessen mit den Eltern noch sehr wichtig", sagt Hörbst.

Ein "Zwergerl" auf Tuchfühlung mit dem ersten Schnee (Foto: Foto: Warth&Schröcken)

Und so unterwirft man sich dem Skischul- Rhythmus. Von zehn bis zwölf ist Unterricht, dann anderthalb Stunden Pause, anschließend wieder zwei Stunden Skischule. Tourengehen oder eine große Runde über das benachbarte Zürs drehen wird in diesem Zeitkorsett schwierig, auch Hüttenbesuche entfallen, solange der Nachwuchs noch nicht auf die Piste kann. Letzteres ist in Oberlech jedoch entbehrlich, denn das autofreie Skidorf in 1730 Metern Höhe liegt sowieso mitten im Skigebiet.

Der Arlberg gilt mit seinen 270 Pistenkilometern als Skigebiet der Superlative, die Skilehrer als die besten der Welt. Selbst Ex-Olympiasieger Markus Wasmeier bucht sich regelmäßig einen Skilehrer in Oberlech. Lotta beeindruckt das nicht. Am dritten Skitag fährt sie in voller Fahrt in den Babylift hinein, am vierten brettert sie über die Schaumstoffkissen in den Schnee, wo sie sich trotz Helm eine Schramme an der Stirn zuzieht. Das wirkt. Am Nachmittag desselben Tages kann sie plötzlich bremsen und Schwünge fahren. Und sofort macht ihr das Skifahren so viel Spaß, dass Extrastunden mit dem Papa eingefordert werden, gleich im Anschluss an die Skischule.

Fünfter Tag. Es ist soweit, der Nachwuchs darf auf die Piste! Und die Eltern endlich auch, denn Skilehrerin Barbara empfiehlt, sich nun möglichst fern zu halten. Mit Gummibärchen und Nonsens- Liedchen hält sie die Drei- bis Fünfjährigen bei Laune und bringt sie bis zur Mittagspause auch heil die Abfahrt vom Petersboden hinunter. Am Nachmittag schaffen die Kleinen, nun in einer Vierer- Gruppe, sogar zwei Abfahrten hintereinander. Das - sowie der obligatorische tägliche Besuch des Hotelschwimmbads - fordern ihren Tribut: Lotta schläft gleich nach der Kürbissuppe unter dem Abendbrottisch ein.

Etwa 2000 Kinder besuchen die Skischule Oberlech in der Saison. Doch immer wieder sind auch Kleinkinder auf den Pisten zu sehen, die von ihren Eltern unterrichtet werden. Was ist die bessere Methode? "In der Regel haben die Eltern zu hohe Erwartungen und zu wenig Geduld. Deshalb lernt man das Skifahren am besten beim Skilehrer", sagt Anna Hörbst. Von Privatunterricht, am Arlberg vor allem bei Erwachsenen sehr beliebt, hält sie dagegen wenig. "Ein Anfänger, der vier oder fünf Jahre alt ist und privaten Skischulunterricht bekommt, ist am Ende der Woche auch nicht besser als ein Kind, das Skifahren in der Gruppe gelernt hat. Die Kinder brauchen einfach die Zeit - und im Privatunterricht werden sie oft zu schnell müde."

Müde? Am sechsten und letzten Tag ist Skirennen in der Kinderskischule angesagt. "Ich hab gewonnen!", ruft Lotta und hält jedem ihre Medaille unter die Nase. Einwände, dass alle Kinder aus ihrer Gruppe einen Orden bekommen haben, weil sie nun so toll Skifahren können, lässt sie nicht gelten. Lotta kann eben fast alles. Und nächstes Jahr klappt's vielleicht sogar mit dem Slalomfahren.

Kontakt: Die Kinderskischule Oberlech unterrichtet Kinder zwischen drei und 15 Jahren. Ein sechstägiger Kurs (ohne Mittagsbetreuung) mit maximal zwölf Kinder pro Gruppe kostet 160 Euro, zwölf Tage 270 Euro. Kleinkinder werden im Kindergarten betreut (kostenlos für Oberlecher Gästekinder). www.skischule-oberlech.at

Ein schönes Domizil für Urlauber mit Kindern ist das seit 1938 in Familienbesitz befindliche Hotel Sonnenburg in Oberlech, das sich vom Schwimmbad bis zum Kinderabendessen auf die kleinen Gäste eingestellt hat. www.sonnenburg.at

Weitere Informationen über Lech und Oberlech gibt es unter www.lech-zuers.at

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