Skifahren in der Halle:Die Alternative

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Fast alle Pisten sind bis jetzt noch grün. Dafür eröffnen immer neue Skihallen - zum Beispiel der "Snow Dome'' bei Hamburg. Sieht so der perfekte Skiurlaub aus?

Arno Makowsky

"Was machst'n am Wochenende?" "Skifahren." "Wo denn? Zugspitze?" "Nee. Hamburg." "Wie bitte?"

Es sind schöne Dialoge, die einem Tag in der norddeutschen Skihalle "Snow Dome" vorausgehen; Gespräche, die stets mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck des Gegenübers beginnen und mit amüsierter Geringschätzigkeit enden. Skihalle? "Sicher eine steile Piste", sagt der Kollege und grinst. "Pass auf, dass du heil runterkommst!"

Solche süddeutschen Respektlosigkeiten können Hamburger Skifahrer lässig an sich abfedern lassen. Mag ihre Halle auch nur 300 Meter lang sein - gegenüber den meisten deutschen Skigebieten hat sie einen entscheidenden Vorteil: Es gibt dort Schnee. Genauer gesagt: "super Pulver, eine Qualität wie in Sölden", wie der Geschäftsführer Ralph Benecke schwärmt. Beste Voraussetzungen für einen großartigen Skitag in Bispingen, gleich an der A 7 Richtung Hannover. "Und danach geht im Zirbelstüberl die Post ab!" Wenn dann erst noch die Mega-Poster mit dem Alpenpanorama an die Hallenwände getackert sind, fühlt sich alles perfekt österreichisch an.

Snow und Fun

Sieht so also das Skigebiet der Zukunft aus? Die Nachrichten von der Klimafront versetzen Wintersportler ja beinahe wöchentlich in Panik. In den Alpen herrscht das wärmste Wetter seit 1300 Jahren, vor allem deutsche Skigebiete unter 1500 Metern sind in den nächsten Jahrzehnten akut gefährdet. Vielleicht ist es deshalb kein schlechter Gedanke, dass Liftbetreiber und Wintersportorte neuerdings in Skihallen auf dem flachen Land investieren - auch wenn solche Überlegungen offiziell nur am Rande eine Rolle spielen.

35 Millionen Euro haben die "Bergbahnen Sölden" in den Hamburger Snow Dome gesteckt; Ende Oktober wurde die Halle eröffnet. Erst vor zwei Wochen startete man in Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern den "Snow Funpark", die angeblich "größte Skihalle Europas". Und im Umland von Berlin sind gleich mehrere Skihallenprojekte in Planung.

Im kostenlosen Zubringerbus vom Hamburger Hauptbahnhof nach Bispingen, 40 Kilometer von der City entfernt, ist die Stimmung schon mal bestens. Ein Dutzend junge Leute in Skiklamotten ist an diesem Nachmittag gekommen, Typus: spaßbereiter Großstädter. Während der Bus über die Elbbrücke fährt, vorbei an Windrädern und Pferdekoppeln in Richtung Lüneburger Heide, lassen die Fahrgäste goldene Dosen mit Prosecco und Chipstüten herumgehen.

"Bringt voll Bock"

Dazu werden Fachgespräche über das neue Baby von Heidi Klum geführt sowie übers Skifahren. "Bringt voll Bock", sagt einer mit verwegenem Stirnband. Seine zwei Begleiterinnen, deren pinkfarbene Handys praktisch nonstop läuten, sind offenbar Ski-Neulinge. "Für was nimmt man eigentlich die Stöcke?", fragt eine. Die andere: "Ich glaub' zum Lenken."

Das sind eindeutig die Leute, die Snow-Dome-Chef Benecke im Auge hat. Die Hamburger, sagt er, sind ja total skiverrückt, es gibt jede Menge Skivereine, im März bekommen die Kinder Skiferien - "und das alles ohne Berg". Wir sitzen im neorustikalen Ambiente der Central-Bar mit Holztischen und Karomuster-Vorhängen, ein Wasserfall plätschert an einem Granitfelsen herab, die Szenerie ist abwechselnd in Gelb, Rosa und Blau getaucht. Hier hält es Ralph Benecke - ein Mittvierziger mit spärlichem Haar und unternehmungslustigem Blick - für angebracht, den philosophischen Überbau der Skihalle zu erklären.

"Wir wollen ja nicht die Alpen ersetzen", sagt er - was schon einmal den Realitätssinn des Mannes beweist. Vielmehr sei so eine Halle als "Heißmacher" für den Winterurlaub gedacht. In unserer hektischen Zeit sei die "Freizeit- und Erlebnistouristik" nämlich absolut im Kommen. Denn nur die garantiere den aktuell erwünschten "Kurzspaß". Er sagt wirklich: Kurzspaß.

Besser lässt sich tatsächlich kaum beschreiben, was den Skifahrer im Snow Dome erwartet: Nach kurzem Anstehen fährt man im auskuppelbaren Hightech-Sechser-Sessellift in zwei bis drei Minuten nach oben, steigt aus, schiebt an - und ist in etwa 30 Sekunden wieder unten. An der höchsten Stelle befindet sich der Hallenpilot satte 32 Meter über dem Boden; im Gebirge nennt man das einen Babyhügel. Trotzdem ist das Runterfahren fünf Mal ganz nett - und dann? Nun, dann ist der Skifahrer froh, wenn er kein Vier-Stunden-Ticket für 22 Euro, sondern nur eins für eine Stunde für 14 Euro gekauft hat.

Die Strategie ist klar: Der Hallenfahrer wird zum perfekten Sölden-Urlauber herangezogen. Auch dort ist der Sport ja nur Vorspiel zur eigentlichen Action danach, auch dort wird die Skiarena nach den Servicekriterien einer auf Kurzspaß getrimmten Partyklientel gestaltet. In Bispingen ist folgerichtig alles auf Après-Ski ausgerichtet, in der grüabigen Ötztaler Stube und im Dorfwirt, wo abends die original Tiroler Almrausch-Party gefeiert wird, und wo das Personal natürlich Dirndl und Lederhose trägt.

Ganz wichtig, sagt der Hallenchef, ist auch die original österreichische Sprache: "Wir sagen natürlich Vogerlsalat statt Feldsalat und Schlagobers statt Sahne." Im Hamburger Dialekt klingt das besonders authentisch.

Sehen wir das jetzt vielleicht zu streng? Die Clique von Werbeleuten, die beim "Dorfwirt" gerade Glühwein in sich hineinschüttet, scheint sich doch toll zu amüsieren. Und außerdem: der Klimawandel! Bald müssen wir vielleicht alle in solchen Hallen fahren.

Übrigens: Schwimmen und Radfahren sind auch schöne Sportarten.

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