Reisebuch:Unter Monstern

Lesezeit: 1 min

Es ist keine Kunst, den Wiener Prater von der schäbigen Seite zu zeigen. Der Fotograf Frank Robert entdeckt darin jedoch viel Komik und auch Trost.

Von Stefan Fischer

Rumms! Gleich wird die Faust des weit ausholenden Kraftlackels den Punchingball treffen. Werden die Lichter an dem Boxautomaten blinken und wird eine Plastikmelodie schrillen. Hinein geht's in den Wiener Prater, mit einem auftrumpfenden, übermütigen Gehabe. Der Rummelplatz ermöglicht eine Flucht aus dem Alltag, er erfüllt kindliche Sehnsüchte. Es ist kein Zufall, dass die Hauptfigur aus Josef Haders aktuellem Kinofilm "Wilde Maus", ein Wiener Musikkritiker, sich alsbald im Prater wiederfindet, nachdem er sich in seinem beruflichen und privaten Leben verliert.

1 / 6
(Foto: Frank Robert)

Wiener Prater, Boxautomat.

2 / 6
(Foto: Frank Robert)

Wiener Prater, 2015.

3 / 6
(Foto: Frank Robert)

Wiener Prater, 2015.

4 / 6
(Foto: Frank Robert)

Wiener Prater, 2013.

5 / 6
(Foto: Frank Robert)

Wiener Prater, 2007.

6 / 6
(Foto: Frank Robert)

Wiener Prater, 2006.

"Endstation Sehnsucht" nennt der Fotograf Frank Robert seinen Bildband über den Prater, er enthält streng quadratische Motive aus den vergangenen zehn Jahren. Der Boxautomat spielt noch zweimal eine Rolle. Einmal ist er an einer anderen Stelle im Prater aufgestellt - und dann ist er verschwunden, hinterlässt eine Leerstelle. Robert inszeniert auf seinen Bildern den melancholischen, abgeschabten Charme des Parks. Die Dinge sind oft nicht in Funktion: Kassen sind geschlossen, Fahrgeschäfte mit Planen verdeckt, Rollgitter herabgelassen. Und der Boxautomat ist sogar abgebaut.

Und doch ist der Prater auch ein Komödienstadel. Man sieht das auf Roberts Bildern, die stets Distanz wahren. Als Betrachter der Fotografien wird man nicht in die Szenerien hineingezogen. Man schaut von außen zu. Am Ende, es ist das letzte Motiv, verlässt ein Mann den Prater; und es sieht so aus, als greife das Monster einer Geisterbahn nach ihm. Was der Mann natürlich gar nicht bemerkt. Ein anderer Mann ist sich wohl ebenfalls nicht dessen bewusst, dass seine Erscheinung in kurzen Hosen, Sandalen und weißen Socken vor dem Gasthausgarten Zum eisernen Mann die behauptete Aura des Ausschanks kongenial unterläuft. Eine weißhaarige Frau hält eine Portion Zuckerwatte wie ein Bildnis ihrer selbst in Händen und blickt auf einen ebenfalls weißhaarigen Eiskönig in einem Spiegelkabinett. Um Spiegelungen geht es oft auf den Fotografien. Um das Figurenhafte der Menschen etwa, um die Vergänglichkeit des Augenblicks in den vielen Gebrauchsspuren. Der Prater schert sich nicht darum, eine gute Figur zu machen - und zwingt seine Besucher auch nicht dazu.

Frank Robert : Endstation Sehnsucht. Der Wiener Prater. Kehrer -Verlag, Heidelberg 2016. 128 Seiten, 39,90 Euro.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: