Reisebuch:Kante zeigen

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Es gibt eine Form des Luxus, die sich aus der Nüchternheit speist, aus der Reduktion. Man kann sie jetzt in drei Bildbänden bewundern, die sowohl Hotelzimmer als auch Ferienhäuser zeigen. Immer mit dabei: Beton, Leere, Scharfkantigkeit.

Von Hannes Vollmuth

Es hat sicher viele Vorzüge, in einem Hotelzimmer zu übernachten, und vielleicht ist der größte sogar, dass es dort so wenig gibt: Nichts liegt auf dem Tisch, die Wände sind leer, keine Papierstapel, keine vollgestopften Regale, nichts, was im Weg herumliegt oder man achtlos fallen gelassen hat. Nur ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank. Und dieses morgenfrische Gefühl, leicht und wach und aufgeräumt.

Es gibt eine Form des Luxus, die sich aus der Nüchternheit speist, aus der Reduktion. Man kann sie in drei Büchern bewundern, die sowohl Hotelzimmer als auch Ferienhäuser zeigen: "Remote Hotels" mit dem barocken Untertitel "Die schönsten Orte, um wirklich abzuschalten" und "Traumhäuser in den Alpen", eine Sammlung des Münchner Architektur-Journalisten Alexander Hosch, beides Bildbände. Dazu "Die 250 tollsten Hotels der Alpen", ein stärker auf den Nutzwert ausgelegter Hotelführer. Alle drei Titel feiern den kargen Reichtum, was natürlich mit Architektur-Moden, wohl aber auch mit dem chaotischen Leben zu tun hat, das wir alle führen und in dem wir nichts sehnlicher uns wünschen als: Übersichtlichkeit.

Die Übersichtlichkeit, das Nüchterne und Kahle wird ja oft mit der westlichen Moderne gleichgesetzt, mit dem Bauhaus, es hat sich aber offenbar auch in die Welt hinaus exportiert. "Remote Hotels" zeigt zum Beispiel das Hotel Amankora im Königreich Bhutan, wo man dem Bruttosozialprodukt abgeschworen hat und nur noch das Glück der Einwohner zählt. Trotz Hängebrücke zum Hotel ist hier jede Suite so modern wie in Kopenhagen: Raumlinien, die militärisch eckig laufen, karge Wände, die Böden glatt, Kanten überall, nüchterne Leere, Lieblingswinkel: 90 Grad. Erst auf den Außenaufnahmen vom Hotelhof sieht man vor den hängenden Himalaja-Bergen bhutanische Kultur: grell-bunte Gebetsmühlen, die wahrscheinlich nur mit vielen Umwuchten ihre Runden drehen.

Man könnte das Nüchterne für das Kennzeichen moderner Hotels schlechthin halten, würde Alexander Hosch in seiner Fotosammlung nicht zeigen, dass es in alpinen Wochenendhäusern genauso ist. Hier gleichen sich Traum-Hotel und Traum-Haus an, weil auch die Einrichtungsprinzipien die gleichen sind: Beton, Leere, Scharfkantigkeit. Wobei bei der Leere ja am spannendsten ist, was man nicht sehen kann, in diesem Falle: Bücher. Das fällt besonders in den alpinen Wochenendhäusern auf, die Hosch für "Traumhäuser in den Alpen" fotografieren hat lassen. Als wären schon Bücher das ornamentale Verbrechen, vor dem man uns bewahren muss. Nur ab und an liegen kiloschwere Coffee Table Books herum, also genau die Art Buch, in dem jetzt die Bilder stehen.

So akkurat die Räume übrigens gezeigt werden, so wirr und schroff ist das, was dann draußen kommt, vor den dreifachverglasten Fenstern, bodentief. Als hätte die Aufgeräumtheit nur einen Zweck: uns vor dem Chaos zu bewahren, das uns ansonsten überall umgibt.

Debbie Pappyn und David de Vleeschauwer: Remote Hotels - Die schönsten Orte, um wirklich abzuschalten. National Geographic, Hamburg 2015. 312 Seiten, 39,90 Euro. Alexander Hosch: Traumhäuser in den Alpen. Callwey Verlag, München 2015. 192 Seiten, 59,95 Euro. Kai Fehse (Hrsg.): Die 250 tollsten Hotels der Alpen. Monte Multi Media, München 2015. 280 Seiten, 14,90 Euro.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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