Auf hoher See:Echte Kerle

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Ebba D. Drolshagen: Wie man sich allein auf See einen Zahn zieht. Corso Verlag, Wiesbaden 2015. 192 Seiten, 24,90 Euro. (Foto: N/A)

Ebba D. Drolshagen hat sich die Unterwanderung von Heldenpathos zur Aufgabe gemacht. Mit Neugier blickt sie auf das Leben seltsamer Seefahrer.

Von Stefan Fischer

Die Autorin Ebba D. Drolshagen hat es versucht: ein Kapitel auch über eine Frau zu schreiben, die eine extrem riskante, dabei abwegige und sinnfreie Seefahrt unternimmt. Sie hatte sich Ann Davison vorgenommen, die 1952 "ohne nennenswerte Segelerfahrung", so Drolshagen, als erste Frau allein über den Atlantik gesegelt ist. Aus dem Porträt ist jedoch nichts geworden. Irgendwann habe sie begriffen, warum ihr der Text über Ann Davison stets aufs Neue misslungen sei, schreibt Drolshagen im Vorwort ihres Bandes "Wie man sich allein auf See einen Zahn zieht": Davison "war anders kühn bzw. verrückt als die Männer". Und habe anders über sich und ihre Fahrt berichtet als die Kerle: "Sie demontiert mit jeder Seite ihres Buches das Bild einer heroischen, todesmutigen Atlantiküberquererin." Für Drolshagen gab es also gar nichts mehr zu tun im Fall dieser Waghalsigen, und als Quotenfrau wollte sie Ann Davison dann auch nicht in ihre Geschichtensammlung aufnehmen.

Drolshagen hat sich die Unterwanderung von Heldenpathos zur Aufgabe gemacht in ihrem Buch über bemerkenswerte Seefahrer: Mit Neugier blickt sie auf die Leben einer Handvoll Männer, die unter absurden Umständen auf Ozeanen unterwegs waren. "Welche Schraube ist bei einem locker, der alles daran setzt, mit einem Schwimmwagen über Ozeane und Staubpisten die Welt zu umrunden?", fragt die Autorin und benennt damit den Antrieb für ihre Recherchen. Typen wie Ben Carlin interessieren sie, der 1947 einen Schwimm-Jeep aus Armeebeständen ersteigert hatte, ein Fahrzeug, das in der Lage sein sollte, hinderliche Wasserflächen an Land möglichst rasch zu überwinden. Für Ozeaneinsätze war es nicht konzipiert. Und doch wagte Carlin damit eine Weltumrundung - die ihm glückte, obwohl er unter anderem beinahe an den Abgasen erstickt wäre.

Es sind die Jahrzehnte, in denen man als Seefahrer nicht mehr durch Entdeckungen ferner Inseln auf sich aufmerksam machen konnte und andererseits noch nicht durch Mobilfunk und Satellitenüberwachung immer auf dem Radar von irgendwem blieb. Wo Ole Brude mit dem von ihm konzipierten, eiförmigen Boot steckte, wussten er und seine drei Reisegefährten zeitweilig nicht einmal selbst. Brude wollte mit dem Rettungsboot 1904 eine Million Francs bei der Weltausstellung in St. Louis gewinnen - indem er bewies, dass man mit der Konstruktion sogar den Atlantik überqueren kann. Das glückte, rechtzeitig zur Weltausstellung schaffte es das Quartett jedoch nicht. Noch verwegener war Tristan Jones, der mit einem hochseetauglichen Boot den tiefsten und den höchstgelegenen schiffbaren Punkt der Welt erreichen wollte; es bedurfte mehrerer Versuche, ehe er den Titicacasee erreichte.

Weil diese Unternehmungen außer für die Abenteurer oft keine Bedeutung hatten, sind viele von ihnen kaum bekannt. Auch das ist ein Verdienst von Ebba D. Drolshagen: dass sie diese Kauze wieder in Erinnerung ruft - ohne sie und ihr Tun zu verklären.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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