Pyramiden von Gizeh:Nepper werden ausgesperrt

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Rund um die Sphinx und die Pyramiden von Gizeh leben Tausende von Einheimischen vom hartnäckig abgetrotzten Geld der Touristen. Das will die Regierung ändern.

Thomas Avenarius

Kennen Sie Charlie Brown? Nein, nicht den ewig scheiternden, missverstandenen, liebeskummernden Zeichentrick-Melancholiker. Charlie Brown aus Gizeh käut mit gebleckten Zähnen vor sich hin, der Kameltreiber daneben heißt Achmed, und die beiden verfolgen ihre Opfer über Stunden.

Am Ende findet sich der erschöpfte Tourist auf dem Rücken von Charlie Brown wieder und lässt sich von Herrn Achmed für ein paar Euro oder Dollar zu viel auf dem Kamel vor den Pyramiden fotografieren.

Willkommen in Ägypten: Wer Tausende Kilometer gereist ist, um das Weltwunder der Pyramiden von Gizeh zu sehen und dann irgendeinen Achmed und sein stets Charlie Brown heißendes Kamel trifft, tastet mit Recht nach dem Telefon, um den vorzeitigen Heimflug zu buchen.

Jeder Tourist, der seinen Fuß auf den Boden des Gizeh-Geländes setzt, ist ungezählten Schleppern und Neppern ausgeliefert. Im Angebot sind Bilder mit Pferden und Kamelen, der klassische Beduinendress aus chinesischer Kunstfaser, Bauchtanzkostüme, die Dolly Dollar erröten lassen würden, dazwischen zerknickte Postkarten und lauwarme Coca-Cola - der Besuch der Pyramiden ist ein von Kameldung umspielter Spießrutenlauf.

Wahrscheinlich waren Achmed und sein Charlie Brown schon da, als Napoleon mit seiner Expeditionsarmee unter den Pyramiden campierte und seine Soldaten belehrte, dass "Jahrtausende auf euch herabschauen".

Während der Franzose aber Vorderlader hatte, um sich die Achmeds samt ihrer Kamele und Pferde vom Leib zu halten, setzt die ägyptische Regierung nun auf Hightech: Gizeh wird abgeriegelt.

Eine mehrere Meter hohe Absperrung umgibt jetzt das riesige Wüstengelände mit den drei großen Pyramiden, der Sphinx und den anderen Gräbern und Fundstätten. Wer hinein will, braucht ein teures Ticket - die Höckertiere samt ihrer Achmeds bleiben draußen vor der Tür.

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Auf der 15 Kilometer langen Mauer sitzen Überwachungskameras und Bewegungsmelder. Das Ganze hat mehr als 20 Millionen Euro gekostet und steht im Zeichen der neuen ägyptischen Tourismuspolitik.

Die klassischen Ruinen, sei es in Gizeh, Luxor oder anderswo, werden vom ägyptischen Alltag getrennt. Die ohnehin zerfallenden Altertümer werden geschont, der Tourist kann sie in Ruhe besichtigen, der Staat macht Geld mit Eintrittskarten und speziellen Touristenshops sowie Pappmaché-Basaren direkt neben den Altertümern.

Zahi Hawass, der für alle ägyptischen Altertümer verantwortliche Mann, sagt: "Wir bringen den Zauber der Pyramiden zurück." Bisher sei es in Gizeh doch zugegangen "wie im Zoo". Hawass ist der Chef-Ägyptologe des Landes und damit so etwas wie der Herr der Pyramiden. Er ist einer der Verantwortlichen für die neue Politik. Die dient am Ende und trotz aller hehren archäologischen Ansprüche einem Ziel: Den Tourismus zu optimieren und die Besucherzahlen weiter zu erhöhen.

Hawass mit seinem "die Ägyptologie vereint sich mit dem sanften Fremdenverkehr"-Ansatz ist das Gesicht des neuen, geordneten Tourismus. Der Fremdenverkehr ist einer der wichtigsten Einnahmequellen des als chaotisch bekannten Landes. Die Zahl der Besucher ist auf mehr als zehn Millionen im Jahr gestiegen. Immer neue Bettenburgen werden gebaut.

Und auch fast jeder, der sich in Scharm el-Scheich oder Hurghada bräunen will, macht einen nächtlichen Shuttle-Bus-Abstecher nach Kairo, besteigt Charlie Brown und fährt in der kommenden Nacht wieder zurück an seinen Pool.

Ein Teil der einheimischen Bevölkerung rund um die historischen Stätten verliert nun seinen Lebensunterhalt: Rund um die Sehenswürdigkeiten wuchern seit Jahrzehnten Slumstädte, in denen Kutschenfahrer, Kamel- und Pferdetreiber leben, in denen in Hinterhofwerkstätten billige Alabaster-Sphinxe und Holzsouvenirs gefertigt werden.

Überzeugen mit dem Gummiknüppel

Die Regierung weiß um das soziale Problem dieser Menschen. Aber es scheint sie nicht wirklich zu stören. Schon bei der Umgestaltung von Luxor und dem Entvölkern der nahen Grabräuber-Dörfer am Tal der Könige wurden Proteste auf die für Ägypten typische Art befriedet: mit leeren Worten, halberfüllten Versprechen und dem Gummiknüppel.

"Wir machen es doch nicht von heute auf morgen", sagt Kamal Wahid, der Direktor der Gizeh-Anlagen. "Aber in zwei Jahren wird sich kein Verkäufer mehr auf dem Pyramiden-Gelände finden", kündigt er an. Das ist eine Aussicht, bei der selbst der größte Misanthrop bereits beginnen könnte, Charlie Brown und seinen ewigen Achmed zu vermissen: Sie haben beide doch sehr menschliche Züge.

© SZ vom 13.8.2008/dd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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