Portrait:Oben bleiben

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Christian Beck ist ein echter Brandnertaler. Der Hüttenwirt schätzt die Landschaft und den Kontakt zu den Gästen. Auf der Suche nach Freiheit geht er manchmal noch weiter.

Von Elisabeth Pörnbacher

Auf 1660 Metern Meereshöhe, umgeben von Bergen, Wiesen und Bäumen steht eine Hütte. Das Holz an der Fassade wird langsam grau - die Sonne, das Wetter haben ihm die braune Farbe genommen. Ein rotes Schild mit weißer Schrift gibt dem Holzhaus seinen Namen: Palüdhütte. In der Küche steht Christian Beck, 52, Koch und Hüttenwirt. Er hat graues Haar, einen grauen Bart und hält eigentlich immer einen Kochlöffel in den Händen. Schon Becks Großvater hat die Hütte bewirtschaftet, sein Vater und seine Mutter haben sich hier kennengelernt. "Ich bin hier entstanden", sagt er und lacht.

Christian Beck ist ein Original-Brandner. Seine Familie lebt seit Jahrhunderten in diesem Tal im westlichsten Bundesland Österreichs. 35 Minuten Fahrtzeit sind es von hier noch bis zur Grenze zu Liechtenstein, etwa zehn Minuten länger dauert es, bis man in der Schweiz ankommt. Beck ist hier im hintersten Winkel Vorarlbergs geboren und aufgewachsen. Schon als Kind half er dem Vater auf dem Bergbauernhof, ging mit auf die Alm.

In den Bergen, sagt Christian Beck, komme man den Menschen viel näher

Anfang der 70er-Jahre eröffneten Becks Eltern ein eigenes Hotel, das Sporthotel Beck. Das Interesse für das Gastgewerbe begleitete Christian Beck von Kindesbeinen an, also ließ er sich zum Koch ausbilden und arbeitete im Familienbetrieb. Außerhalb der Saison - im Herbst und im Frühling - reiste Beck oft nach Frankreich und Italien, um zu kochen, sich weiterzubilden, neue Rezepte zu lernen. 2011 übernahm er schließlich gemeinsam mit seiner Frau Sabine und seinen beiden Kindern die Palüdhütte mitten im Skigebiet Brandnertal.

Jetzt, wo der Sommer zu Ende geht, ist es ziemlich einsam hier, der Forstweg führt nur noch wenige Wanderer die 600 Höhenmeter vom Tal herauf. Doch wenn erst einmal Schnee liegt, ist hier immer viel los. In der Hütte ist Platz für 19 Übernachtungsgäste, im Winter ist meist volles Haus. Dann wollen nicht nur die Hausgäste versorgt werden, auch hungrige Wintersportler kehren auf eine Mahlzeit ein. Für Beck heißt das: Der Tag fängt um sieben Uhr an und hört spät auf. Viele Töpfe stehen auf dem Herd, es muss schnell gehen. Die Arbeit sei stressig, sagt Beck, doch sie gebe mehr zurück als sie nehme.

Christian Beck wirkt nicht wie jemand, der lange still sitzen kann. Er sucht immer etwas zu tun, eine Aufgabe, eine Herausforderung. Er baut Möbel, schnitzt Skulpturen aus Holz mit seiner Motorsäge. Viele Jahre lang hat er Abenteuercamps veranstaltet, Kindern gezeigt, wie man Feuer macht oder mit Pfeil und Bogen schießt. Zurzeit macht er das nicht mehr.

Im Sommer nämlich, dann, wenn die Palüdhütte nur noch von Donnerstag bis Sonntag geöffnet ist und sich vorwiegend Becks Sohn um die Hütte kümmert, widmet er sich seit drei Jahren einer zweiten großen Aufgabe: der Totalphütte oberhalb des Lünersees. Beck nennt sie "hohe Hütte", liegt sie doch auf 2385 Metern Meereshöhe, zweieinhalb Gehstunden vom Tal entfernt.

Sein Traum ist es, einmal in einer Blockhütte in Alaska zu leben. Weit weg von allem

Selten steigt der Hüttenwirt dann hinab. Er ist gern hier oben. In den Bergen, sagt er, komme man den Menschen näher. Man lerne sie besser kennen. Und man lernt viele Leute kennen. Es gibt kaum einen ruhigen Tag. In der Hochsaison sind die meisten der 100 Betten in der Totalphütte belegt, die Wanderer tanken hier Energie und stillen ihren Hunger, damit sie es weiter bis zum Gipfel der Schesaplana oder zu den benachbarten Hütten schaffen. Jeden Tag steht Christian Beck dann schon um fünf Uhr morgens am Herd und bereitet alles vor. Ab sieben Uhr gibt es Frühstück, danach Mittagessen, um 18 Uhr Abendmenü. Als Dessert Topfenlasagne mit Vanillesauce und Zwetschgenröster. "Die gibt es nur hier", sagt Beck stolz. Das Rezept hat er selbst erfunden. Gegen 20 Uhr, sobald die Eigenkreation auf den Tischen steht, geht Beck schlafen. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker erbarmungslos um halb fünf.

Seit drei Jahren bewirtschaftet Christian Beck mit seiner Familie die Hütte auf 2385 Metern Höhe. (Foto: privat)

"Ich bin dafür da, dass sich die Gäste wie zu Hause fühlen", sagt Beck. Zu Hause - das ist für ihn das Brandnertal mit den Bergen, der schönen Landschaft mit den oft so sturen Brandnern. "Das waren die ersten freien Menschen, die nur sich selbst gehört haben - für ihre Freiheit nahmen sie sogar Kriegsdienste in Kauf", erzählt er.

Freiheit, die sucht auch Beck - gerade nach Ende der Saison nimmt er gerne mal eine Auszeit, geht in die Natur - weg von den vielen Menschen, weg aus der Küche, weiter hinauf auf die Berge. Einfach alleine, nur für sich. Er schwärmt von Nordamerika, von der weiten Landschaft, in der man oft zwei, drei Wochen keinem Menschen begegnet. Vor sechs Jahren war er zum bislang letzten Mal da, streifte durch die Wildnis Idahos, warf die Angel aus, um zu fischen, machte sich auf die Jagd mit Pfeil und Bogen. In den vergangenen Jahren, seit er Hüttenwirt ist, fehlte ihm jedoch die Zeit zum Reisen.

Manchmal, gerade dann, wenn sich der Sommer dem Ende neigt und die Wintersaison noch nicht begonnen hat, sehnt er sich danach, wegzugehen aus dem Brandnertal - für ein, zwei Jahre vielleicht. Er möchte in einer Blockhütte in Alaska leben. Abseits. Abgeschieden. Weit weg von allem. "Das ist mein Traum", sagt er. Das hat er sich in den Kopf gesetzt und das will er auch durchziehen.

Doch dann will er wieder zurückkehren ins Brandnertal. Schließlich ist genau das hier sein Zuhause.

Die Palüdhütte auf 1660 Metern Höhe war die erste Skihütte im Brandnertal, sie wurde 1926 vom Skiclub Brand gebaut. Im Winter ist sie jeden Tag geöffnet, im Sommer nur von Donnerstag bis Sonntag. Infos: www.paluedhuette.at. Die Totalphütte auf 2385 Metern ist von Mitte Juni bis Anfang Oktober geöffnet. Einst diente sie Arbeitern der Illwerke als Unterkunft, heute ist sie eine Alpenvereinshütte, www.totalp.at

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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