Neulich in Vietnam:Kampfhahn und Bananen

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Was Urlaubern ganz wichtig ist: Authentizität am Reiseziel. Die Bootsmärkte im Mekong haben da viel zu bieten: Ananasberge, Mangos, Gewürzbüschel an Deck. Manches erkennt man aber erst auf den zweiten Blick.

Von Elena Witzeck

Zerschlissene Rettungswesten, die von der Decke baumeln. Gut, denkt man beim Einsteigen in das Boot, das uns zu den schwimmenden Märkten im Mekong-Delta bringen soll, besser als keine Westen. Das Delta sieht sehr schmutzig aus, alle paar Minuten schwimmen Plastikflaschen-Haufen vorbei.

Unsere Gruppe besteht aus einer Amerikanerin, einer sportlichen Holländerin, einem österreichischen Paar, das sich nichts mehr zu sagen hat, einer Taiwanesin mit Fußverletzung vom Motorrad-Trip und drei Norddeutschen, die über die mangelnde Authentizität des Ausflugs klagen. Das alte Boot gleitet an Wellblechhütten vorbei zu den schwimmenden Märkten, während die Stimme des Guides unverständlich durch den Lautsprecher scheppert. Bunt bemalte Schiffe liegen bei den Vororten Tra Ons vor Anker. Auf den Decks türmen sich Ananasberge, Mangoscheiben, Gewürzbüschel. Kinder liegen in Hängematten, während Frauen mit Kegelhüten Kokosnüsse zerschlagen.

Die kleineren Boote haben sich darauf spezialisiert, Touristenschiffe blitzschnell zu entdecken und dann um den Platz an ihrer Seite zu kämpfen. Dieses Mal gibt es nur unseres, gut erkennbar an der Aufschrift "Tourist Tours". In dem Boot links von uns steht ein kleiner Junge, vielleicht fünf Jahre alt, hebt einen Dong-Schein und ruft: "Banana, Banana!" Es klingt wie in diesem Minions-Film. Der Guide hat klargestellt, dass keiner etwas kaufen muss. Die Holländerin kauft eine Staude mit ungefähr 146 Minibananen, die sie großzügig an die Mitreisenden verteilt. Der Österreicher kauft eine Kokosnuss, die er den Rest der Fahrt umklammert hält, als hätte er eine bessere Reisebegleiterin gefunden.

Rechts erscheint ein Kahn. Vom Deck schaut ein Hahn herab, der versucht, sein kräftiges Bein aus einer Schlinge zu befreien. "Achtung, ein Kampfhahn!", scheppert die Stimme des Guides. Hier könne man an Bord gehen und ein paar Früchte kaufen. Müsse man aber nicht. "Oh, oh!", sagt die Amerikanerin. Beherzt steigt die Holländerin über den Hahn. Der Österreicher wirkt unentschlossen, wegen der Kokosnuss. Die Taiwanesin lässt sich an Bord hieven.

Es vergehen nur wenige Minuten, in denen der Minion-Junge geschickt weitere Bananen auf unserem Boot platziert. Dann kommen die anderen mit den Armen voller Obst zurück. Sie wirken auf einmal glücklich. So schnell kann es gehen. Und aus fehlender Authentizität wird ein Abenteuer.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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