Neulich in Lusaka:Der weiße Magier

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Was ein Haifischzahn am Hals so alles bewirken kann: Bei der Begegnung mit afrikanischen Jugendlichen in Sambias Hauptstadt Lusaka spielt unser Autor seine Kräfte aus - und bereut das gleich anschließend auch ein bisschen.

Von Sebastian Niemetz

Mit jedem Jahrgang wird die Menschheit schlechter. "Wir waren damals viel höflicher, als ihr es heute seid", bekommt wohl jeder junge Mensch einmal im Leben zu hören. Selbst jahrtausendealte Inschriften bezeugen es: "Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos", beschwerte sich etwa der Autor eines Keilschrifttextes aus Chaldäa vor ungefähr viertausend Jahren. Daran mag heute genauso viel, also auch genauso wenig dran sein wie damals. Doch auch wenn man dabei ein schlechtes Gewissen hat: So ganz trauen möchte man einer Gruppe Jugendlicher dann doch nicht, die einen im Urlaub auf der Straße umringt.

Lusaka, die Hauptstadt Sambias, vor einem Einkaufszentrum. Zwei Jungen und ein Mädchen, alle etwa um die 16 Jahre alt, fragen nach ein bisschen Geld. "Habt ihr vor, euch damit Alkohol und Zigaretten zu besorgen?" Natürlich nicht, lautet die Antwort. Sie würden damit nur "Talktime" kaufen wollen - so werden in Sambia die Aufladescheine für Prepaid-Handys genannt. In dem bettelarmen Land, in dem sich die meisten Menschen keine Handyverträge leisten können, sind die Papierstreifen äußerst begehrt. Die Jugendlichen sind so höflich und zurückhaltend in ihrem Auftreten, dass ich davon nur noch misstrauischer werde. Dafür, dass ich sie verdächtige, schäme ich mich aber auch. Wie also umgehen mit dem Dilemma?

Mir fällt ein, dass viele Menschen in Sambia sehr abergläubisch sind und an Hexerei glauben. So könnte ich auf Nummer sicher gehen. "Okay, ihr könnt ein bisschen Geld von mir haben, aber passt lieber auf - ich bin ein Magier! Wenn ihr Alkohol oder Zigaretten kauft, dann werdet ihr verzaubert!" Da grinsen die Jugendlichen noch. Von einem Weißen, der zaubern kann, haben sie noch nie gehört. Doch als ich meine Halskette, einen versteinerten Haifischzahn, unter dem Hemd hervorholte, reißen sie ihre Augen auf. "Ist das Ding echt?", fragt einer der Jungen. Na ja, echt schon. Doch andererseits nur ein modisches Mitbringsel eines Freundes aus Südamerika.

"Danke, mein Herr, aber wir möchten doch kein Geld!", ruft der Junge nervös. Die drei rennen weg. Verblüfft schaue ich ihnen nach. Anscheinend bin ich tatsächlich ein Magier. Ein ziemlich böser.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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