Lifestyle:Amors voller Köcher

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Der Sommer ist da und mit ihm Liebe, Lust und süße Albernheiten

Der Sommer in Deutschland ist ein unwiderstehlicher, aber zwiespältiger Ganove, etwa wie Jean-Paul Belmondo in "Außer Atem": zu hitzig, so wie letztes Jahr, oder zu schüchtern, wie so viele Jahre davor. Häufig schläft er zu lange, so wie dieses Jahr. Dann fragt man nach ihm, schimpft und poltert: Wo bleibt er denn? Jetzt wird's aber Zeit! Wenn er dann da ist, wenn er endlich aufkreuzt, so treuherzig - "Habt ihr mich etwa schon vermisst?" - ist alles vergessen, niemand mehr böse.

Psyche weckt den schlafenden Amor (Foto: Foto: AP)

Sieht er nicht umwerfend aus? Steht er nicht einem jeden sofort ausgezeichnet? Er trägt vielleicht noch ein müde-schiefes Lächeln, aber er riecht so gut, und immer hat er irgendwelche Komplimente oder Geschenke dabei. Zum Beispiel bringt er die zauberhaftesten Blumen mit. Sonnenstrahlen, die er den Menschen in die Ohren und Nasen steckt. Oder er kramt Marienkäfer aus irgendeiner Hosentasche und setzt sie auf Pulloverärmel und Hutkrempen. Wer sich nicht über den Sommer freut und dreht wie ein Kreisel, ist ein Griesgram, ernsthaft verdächtig oder Hans Eichel.

Allerdings hat er auch ein paar dumme Ideen, treibt Keile in Beziehungen, stiftet die Damen an, Frotteehandtaschen mit der Aufschrift "Mrs. Clooney" oder "Mrs. Pitt" zu tragen und manche Männer würden um diese Jahreszeit sogar Enten hinterherpfeifen, wenn die Röcke trügen.

Er gilt allerdings als perfekter Pate für neue Beziehungen, als Postillion d'Amour; wer durch seine Aura nicht Dinge und Menschen sieht, die wohl immer da sind, aber so noch nie ausgesehen haben, wer sich, wenn er auftaucht, nicht auf der Stelle neu verliebt, der - ja, der muss wohl ein Zyklop in einer düsteren Höhle sein, oder bereits verheiratet oder einfach gefühllos, ein Gegenstand, eine Heftklammer, ein Bulldozer, vielleicht ein Schirmständer - jedenfalls kein Mensch mit einem Herzen. Mögen unsere Beine jetzt auch noch weiß sein wie Tafelkreide, unsere Haare vom vielen Frühlingsregen töricht gekräuselt oder platt und kraftlos wie Schnittlauch, egal.

Wimpern flattern wie Schmetterlinge

Unser Hormonsystem, von der Sonne in Gang gesetzt, lässt uns glauben und behaupten: Wir sehen besser aus im Sommer. Unsere Augen werden groß, die Lider und Wimpern flattern wie die Schmetterlinge; eindeutiges Bereitschaftssignal für einen Flirt. Ein milder Abend, ein unbedecktes Knie versetzen uns - weichgespült über die Wintermonate - regelrecht in Euphorie. Unsere Röcke und Hosen rutschen in die Höhe, und endlich muss niemand mehr Socken tragen, die vielleicht unattraktivsten aller Kleidungsstücke.

Wenn der Herbst ein Hüsteln und der Winter nur noch ein schwaches Krächzen ist, so ist das Frühjahr das erste tiefe Durchatmen. Und der Sommer - der ist das Jubilieren und wer will, kann das auch gerne sexuell verstehen. Der Sommer taugt nämlich als Vorwand für Abenteuer, Hals-über-Kopf-Affären, Albernheiten, Wahnsinnstaten und überstürzte Entscheidungen.

Vorfreude ist die schönste Freude - diese deutsche Spruchweisheit muss wohl einem Menschen im Frühling eingefallen sein, vielleicht, während er bereits unter dem Tisch mit einer wildfremden oder anderweitig verheirateten Person anbandelte. So wie der Frühling auch die Lieblingsjahreszeit der deutschen Dichter der Romantik war, allen voran Eduard Mörike. Nach vielen Jahren, in denen er mal wieder keine blauen Bänder, sondern graue Bindfäden flattern ließ, wissen wir heute allerdings, was das Beste am Frühling ist: der Sommer, natürlich.

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