Kulinarik an Bord:Pizza schlägt Matjes

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Auch in der Ostsee setzt die italienische Reederei Costa Crociere auf authentische mediterrane Küche. Ihr Konzept überzeugt - zumeist.

Von Franz Kotteder

Vincenzo Cirino macht keine große Show aus seiner Arbeit, und eigentlich ginge der schmale junge Mann auch gut als britischer Kellner durch, wegen seiner kurzen roten Haare und der dezenten Blässe. Dabei ist der 36-Jährige ein waschechter Sizilianer aus Messina und obendrein hier an Bord des Kreuzfahrtschiffs Costa Luminosa einer der besten Pizzaioli, wie die Pizzabäcker in Italien heißen. Er nimmt eine Kugel vorbereiteten Teigs, zieht fix mal links, mal rechts daran, formt mit der Handkante rundherum eine kleine Erhöhung und sagt: "Das ist typisch für die neapolitanische Pizza - der dicke Rand." Zwölf Stunden war der Teig aus zwei verschiedenen Mehlsorten, Hefekulturen und Wasser in der Kühlung, eine Stunde durfte er sich an die Raumtemperatur anpassen, bis ihn Vincenzo bearbeitete. Das geht dann ruckzuck. Er streicht von Hand zerquetschte San-Marzano-Tomaten auf den Pizzarohling, zerzupft den Mozzarella, der an Bord frisch produziert wird, und dann geht es für sechs Minuten bei 310 Grad in den Ofen. Noch ein paar Basilikumblätter drauf: Fertig ist die Margherita.

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(Foto: Davide Scappini; oh)

Italienische Küche als Verkaufsargument: Auf der Costa Luminosa...

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(Foto: Costa Crociere)

...wird der Mozzarella an Bord selbst gemacht,...

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(Foto: Costa Crociere)

...Rezepte wurden nach Slow-Food-Kriterien ausgesucht.

Nun ist selbst eine gute Pizza noch kein kulinarisches Highlight per se, aber hier auf der Costa Luminosa hat sie etwas Programmatisches. Eigentlich ist man hier auf einem klassischen, 294 Meter langem Kreuzfahrtschiff mit elf Decks und Platz für bis zu 2800 Passagiere und 1050 Besatzungsmitglieder. An Bord ist alles vorhanden, womit man sich auch auf längeren Strecken die Zeit gut vertreiben kann, vom Theater und Kino übers Spielkasino und die Disco bis hin zu Bars, Swimmingpool und Spa. Die Innenausstattung würden sehr sensible Gemüter vielleicht als augenkrebserregend bezeichnen; sie sieht ein bisschen so aus, als hätten Bühnenbildner von Disneyworld und Cinecittà gemeinsam komische Kräuter geraucht und sich dann an die Entwurfsarbeit gemacht (tatsächlich aber war der amerikanische Innenarchitekt Joseph Farcus zugange). Vom Mittelmeer bis hin zu Weltreisen ist der Koloss im Einsatz. Eine Tour nennt sich "Juwelen der Ostsee", und dass zwischen Warnemünde und Stockholm ausgerechnet italienische Küche als Höhepunkt angepriesen wird, erscheint nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Denn die italienische Kreuzfahrtlinie Costa Crociere hat beschlossen, die gastronomische Kompetenz und das kulinarische Erbe ihres Stammlandes künftig noch stärker in den Fokus zu rücken.

SZ-Karte (Foto: kreuzfahrt_karten)

Bruno Barbieri, die italienische Antwort auf Alfons Schuhbeck, hat die Menüs für Costa kreiert

Die Konkurrenz im Kreuzfahrtgeschäft ist hart, im oberen Preissegment punktet die Reederei Hapag Lloyd seit Jahren mit Menüs und sogar einem eigenen Restaurant des deutschen Drei-Sterne-Kochs Dieter Müller auf der MS Europa. Und auch in der mittleren Liga, in der Costa unterwegs ist, wird das Essen für die Kundschaft immer wichtiger. Mit dem Standard einer Großkantine, die viele Gäste noch aus dem oft gerade abgeschlossenen Arbeitsleben kennen dürften, ist man inzwischen nicht mehr zufrieden. Der Vorteil der Kreuzfahrt ist es ja, gewissermaßen im selben Hotel und im selben Zimmer von Land zu Land zu reisen. Und dazu gehört mittlerweile halt auch eine Verpflegung wie in einem besseren Hotel.

Costa hat sich deshalb gleich zweifache Kompetenz von außen an Bord geholt. So ließ sich die Reederei von dem italienischen Sternekoch Bruno Barbieri ein Gourmetmenü zusammenstellen, das für seine Version der leichten, mediterranen Küche steht und ganz Italien von Nord bis Süd widerspiegeln soll. Und sie hat ihre Küchenchefs auf den einzelnen Kreuzfahrtschiffen zusammen mit der Universität für gastronomische Wissenschaften in Pollenzo Menüs zu 13 der insgesamt 20 einzelnen italienischen Regionen entwickeln lassen. Die gibt es nun an verschiedenen Tagen auf den Schiffen der Costa-Flotte. Die Spachtel- und Schlemmer-Akademie mit Master-Studiengang in Pollenzo wurde ins Leben gerufen von der im Piemont gegründeten, internationalen Slow-Food-Bewegung, die vor allem auf ursprüngliche Gerichte und regionale Zutaten setzt.

Und die Zusammenarbeit zeitigt tatsächlich auch sehr schöne Ergebnisse, zum Beispiel beim Thementag Sardinien. Knusprig gebratenes Ferkel mit gegrilltem Auberginen-Salat als Antipasto oder gebratenen Lammrücken mit wildem Fenchel und Carasau-Brot als Secondo bekommt man auch in Italien oder selbst auf Sardinien nicht so ohne Weiteres auf den Tisch. Eine schöne Idee, und auch in der Umsetzung meist gelungen.

Was sich beim Gala-Menü des Starkochs Bruno Barbieri nicht immer sagen lässt. Barbieri ist so etwas wie ein italienischer Alfons Schuhbeck, nur noch erfolgreicher. Vier Restaurants leitet er, drei haben zwei Sterne im Michelin, das vierte einen. Er ist als Fernsehkoch gut gebucht, juriert eine Kochshow und entwirft eben auch Gala-Dinners, beispielsweise für Costa. Sterne-Niveau sollte man sich davon freilich nicht erwarten. An Bord gerät zum Beispiel das "gebratene Perlhuhn mit fruchtiger Masarda" und diversen weiteren Sperenzchen schon mal so furztrocken wie ein Chicken Nugget. Bei aller Professionalität: In einer riesigen Großküche, in der - wie auf der Ostseetour - 120 Köche und 160 Kellner in zwei Schichten insgesamt 2400 Passagiere versorgen, lässt sich nun mal nicht ein Gourmetrestaurant mit maximal 40 Plätzen imitieren.

Trotzdem ist es nach Abzug allen PR-Getrommels anerkennenswert, dass sich diese Großküche ganz unten im Bauch des Schiffes die Mühe macht, Regionalmenüs perfekt umzusetzen, das Brot selbst zu backen und es sogar noch schafft, den einzigen Veganer an Bord auch komplett vegan zu ernähren. Und manchmal - auch das lehrt man zum Beispiel an der Gastro-Uni in Pollenzo - sind die ganz einfachen Genüsse doch die besten. Weshalb man sich auf der Costa Luminosa durchaus auch mal an Vincenzo Cirino und seine Pizza Margherita halten kann. Die ist nämlich wirklich rundherum um ihren dicken Rand zu empfehlen.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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