Kommentar:Klarmachen zur Wende

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Mit der Kreuzfahrtindustrie wachsen auch die Umweltprobleme. Bislang zeigen wenige Reedereien ernsthaftes Engagement. Das muss sich ändern.

Von Jochen Temsch

Vergnügungsdampfer haben inzwischen Dimensionen angenommen, die die Vorstellungskraft sprengen. Im Falle der Symphony of the Seas kann das Empire State Building zur Veranschaulichung dienen. Der Wolkenkratzer, umgelegt und zu Wasser gelassen, wäre in etwa so lang wie das nunmehr größte Kreuzfahrtschiff der Welt. Diesen Rekord wird die Symphony of the Seas allerdings nur kurze Zeit halten. Weitere, noch größere Schiffe sind bereits in Planung. Der Kreuzfahrten-Boom ist ungebrochen, der Trend geht zum Gigantismus auf Kielen. Millionen Passagiere haben Spaß daran, mit jeweils Tausenden anderen auf engstem Raum zusammen zu schippern. Allein die Zahl der deutschen Kreuzfahrer hat sich zwischen 2007 und 2017 verdreifacht.

Weniger lustig sind die Umweltprobleme, die ebenfalls mitwachsen. Zwar haben die Kreuzfahrtschiffe gerade mal einen Anteil von 0,5 Prozent am weltweiten, zivilen Schiffsverkehr, doch kommt ihnen eine Vorreiterrolle zu: Sie symbolisieren den Genuss der Schönheit des Meeres - die sie gleichzeitig bedrohen.

Umweltverbände fordern seit Jahren den Verzicht auf Schweröl, die Nutzung von Landstrom in Häfen, nachhaltiges Lebensmittel-Management und das Klären von Abwässern an Bord. Aber nur wenige Reedereien lassen ernsthaftes Engagement erkennen. Es gibt noch nicht einmal einen gemeinsamen Standard für die Stromanschlüsse in den Häfen. Innovativ sind meist allein die Vergnügungsparks an Bord - in Sachen Umwelt geht es konventionell zu, aus Profitgründen. Null Emissionen gibt es nur auf einem Segelschiff. Aber auch ein Kreuzfahrtschiff kann sauberer werden, mit Schwefelfiltern und Stickoxidkatalysatoren, mit Marinediesel, Flüssiggas oder Hybridantrieben, teils mit Strom aus Fotovoltaik. Das erste Kreuzfahrtschiff der Welt, das mit Flüssiggas fährt, soll im Herbst 2018 in See stechen.

Alte Schiffe lassen sich nicht einfach grün nachrüsten, aber von neuen Dampfern dürfen Urlauber in Zukunft höhere Standards verlangen. Wenn sich die Passagiere zur Wende klarmachen, bewegt sich irgendwann auch mal ein Riesenschiff.

© SZ vom 05.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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