Innviertel:Das andere Ufer

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Lange war die Südseite des Inns touristisches Niemandsland. Anders als im angrenzenden Bayern hat man die Vorzüge des Thermalwassers erst spät für sich entdeckt. Doch seitdem tut sich so einiges im Innviertel.

Von Ingrid Brunner

Das Europareservat Unterer Inn bei Katzenbergleithen. (Foto: Innviertel Tourismus / Andreas Mühlleitner)

Geinberg auf der südlichen Innseite war noch vor einem Vierteljahrhundert ein beschauliches Dorf von vielen im Innviertel. Während am Nordufer im Bäderdreieck Füssing, Griesbach und Birnbach schon lange der Gesundheitstourismus für Arbeitsplätze und Wohlstand sorgt, gibt es die Therme Geinberg erst seit 20 Jahren.

"In den Siebzigerjahren hat man hier nach Öl gebohrt", sagt Thermen-Chef Manfred Kalcher, "man ist aber nur auf Thermalwasser gestoßen." Damals schüttete man das Bohrloch zunächst enttäuscht zu, erzählt er. Dass Thermalwasser einmal wertvoll sein würde, hatte man in den Jahren der Ölkrise, anders als in Bayern, nicht erkannt. Gleichwohl ist das Thermalwasser die Ursuppe, aus der sich auf der Südseite des Inns der Tourismus entwickelt hat. Für die Region haben sich Berater den Namen "s'Innviertel" ausgedacht. Von Anfang an setzte man in Geinberg ganz auf Spa, Wellness und Entspannung statt auf Rheuma und Arthritis. Einheimische, österreichische und viele deutsche Gäste nutzen das Angebot. Inzwischen kommt ein Viertel der Besucher aus Deutschland.

Es ist ländlich hier in dieser touristisch gesehen jungen Region. Schmale, wenig befahrene Nebenstraßen folgen jeder Neigung, jeder Kurve der sanfthügeligen Landschaft - eine Topografie wie geschaffen für Radtouristen. Am Inn-Radweg bietet sich Naturinteressierten das Europareservat Unterer Inn mit einer schier überbordenden Vielfalt an Vögeln, Schmetterlingen, Reptilien, Amphibien und kleinen Säugetieren an. Paradoxerweise ist diese Wildnis das Ergebnis eines massiven Eingriffs des Menschen in die Natur. Sie entstand, als der Inn Anfang des 20. Jahrhunderts gebändigt wurde.

Prächtige Marktplätze mit kunstvollen Stuckverzierungen und wilde Natur teffen im Innviertel unvermittelt aufeinander. (Foto: Innviertel Tourismus/Andreas Mühlleitner)

Die Römer nannten den Inn Aenus - den Schäumenden. Der unberechenbare Fluss brachte immer wieder verheerende Überschwemmungen. Um 1900 zwängte man den Fluss in ein enges Flussbett, von 1939 an wurden dann fünf Stauwehre zur Stromgewinnung gebaut. Was wie das Rezept für ein Umweltdesaster klingt, nahm hier eine Wende zum Guten. Denn als Folge entstanden in der menschenleeren Gegend große Wasserflächen, die versandeten und verlandeten. Heute nisten hier sogar Seeadler. Biber und Fischotter haben sich angesiedelt, Pirole, Rohrweihen und Molche finden zwischen der Salzachmündung und Neuhaus/Schärding einen guten Lebensraum. Von Aussichtsplattformen entlang des Radweges bieten sich immer wieder spannende Einblicke in dieses neu entstandene Habitat. Die Orte im Innviertel überraschen mit prächtigen Ortskernen. Die barocken Stuckhäuser stammen aus der Zeit der Salzbarone, als Händler entlang der alten Salzstraße mit dem Gewürz zu Geld und Ansehen kamen. Etwa in Obernberg, dessen Marktplatz als einer der schönsten Österreichs gilt. Statt Filialisten findet man in den Häusern noch Traditionsgeschäfte: Konditoreien, Apotheken, Trachtenläden - und Brauereien. Oberösterreich hat die höchste Dichte an Privatbrauereien des Landes, und im Innviertel liegt mit zehn Privatbrauereien das Epizentrum.

In Altheim, einer Gemeinde mit knapp 5000 Einwohnern, gibt es zwei Privatbrauereien. Früher waren es einmal neun. Claus Wurmhöringer wurde mit 22 Jahren jüngster Braumeister Österreichs und ist es heute, im Alter von 28 Jahren, immer noch. "Ist noch kein Jüngerer nachkemma", sagt der Juniorchef der Brauerei Wurmhöringer, die seit 1885 in Familienbesitz ist, und eilt zurück ins Sudhaus. Beim Brauen gibt es Momente, da kann er nicht mit seinen Gästen im Wirtshaus reden. Die müssen dann halt mit seinem Bier vorliebnehmen. Ebenfalls in Altheim ansässig ist die Brauerei Raschhofer, ein Familienunternehmen in der zehnten Generation. Doris Scheriau-Raschhofer und ihr Mann Christoph Scheriau haben im alten Brauturm ein Museum eingerichtet. Ein Aufzug führt hinauf auf den Malzboden. Von dort oben führt eine Infotour durch alle Stufen des Bierbrauens. Gebraut wird in Vollkupferkesseln über direktem Feuer. Die Biere werden in offenen Gärbottichen vergoren. Bestseller der vielfach ausgezeichneten Brauerei ist das Zwickelbier.

"Lange bevor sie Craft-Biere genannt wurden, haben wir schon experimentiert. Nur nannten wir sie damals noch Bierspezialitäten", erklärt Doris Raschhofer. Die Raschhofer'sche Bierreise endet stets mit einer Verkostung. Da hat es dann schon was für sich, mit dem Rad unterwegs zu sein und unfallfrei zurück zum Hotel zu kommen.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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