Hotels:Einmal gegrilltes Kamel

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In Berlin eröffnet ein entfernter Verwandter des "Ritz" die Pforten: das "Ritz Carlton". Es soll an nichts fehlen.

Von Alexander von Schönburg

Die Brasserie im neuen Ritz Carlton Hotel in Berlin wird von einer "Geilen Sau" bewacht. Diesen Namen hat der Künstler Paul Reimert seinem Kunstwerk, einem lebensgroßen Sparschwein, gegeben. Das Ritz-Carlton wird zwar erst an diesem Wochenende feierlich eingeweiht, doch im Bauch der Sau hat sich bereits eine stattliche Summe angesammelt.

An diesem Samstag Abend feiert hier der Milliardär Otto Beisheim seinen 80. Geburtstag. Da werden noch ein paar Münzen dazu kommen. Am Sonntag dann steigt die große Eröffnungsparty. Das Sparschwein könnte sich bald als profitabelster Teil des Hotels herausstellen. Die Brasserie, an dessen Eingang das Schwein steht, wurde komplett im südlichen Burgund ab- und hier in den Beisheim-Towers am Potsdamer Platz wieder aufgebaut; der bisher kühnste Anlauf, um ein Stück Authentizität in die Reißbrett-Urbanität des Potsdamer Platzes zu bringen.

Die amerikanische Ritz Carlton-Kette will zur führenden Luxushotel-Kette der Welt im höchsten Preissegment werden. Der Schritt, in Berlin ein Flaggschiff zu installieren ist daher eine Prestige-Entscheidung, nächstes Jahr folgt ein weiterer Luxus-Tempel in Tokio, obwohl der dortige Markt ebenfalls übersättigt ist. Für die Marriott-Gruppe, zu der Ritz Carlton gehört, steht fest, dass sich das Berliner Ritz-Carlton auf Jahre nicht rechnen wird. Dennoch eröffnet Marriott, ebenfalls an diesem Wochenende, sogar ein weiteres 300-Zimmer-Hotel, gleich neben dem Ritz Carlton. In wenigen Wochen eröffnet das neue 500-Zimmer- Flaggschiff der Radisson-Gruppe am Berliner Dom, mit integriertem Meeresaquarium. Die Luft im Berliner Luxushotel-Business wird dünn.

"Geile Sau" als Türsteher

Im Vergleich zu den beiden anderen im obersten Preissegment, dem Four Seasons am Gendarmenmarkt und dem Adlon am Pariser Platz, ist das Ritz Carlton in seinem Luxus das ausschweifendste. Die Innenarchitektur Peter Sillings erinnert ein wenig an den Stil, mit dem arabischen Milliardäre auf dem Höhepunkt der 80er Jahre ihre Villen in Marbella einrichten ließen. Das Management nennt es eine "Hommage an den Spätempire". Es strotzt vor Blattgold, dunklem, hochglanzpoliertem Kirschholz, man geht auf schweren Teppichen, wo man auch hinblickt strahlen riesige Kronleuchter aus Swarovski-Kristallen. Über 4000 davon gibt es im Hotel.

Man beruft sich bei Ritz Carlton auf den legendären Hotelier César Ritz, auch wenn die Verwandtschaft gekauft ist. Das eigentliche Ritz ist das am Place Vendôme in Paris. Gegründet wurde es von César Ritz, jenem legendären Bergbauernkind aus dem 54-Seelen-Dorf Niederwald im Wallis, der zum "König der Hoteliers" wurde. Am Zenit seines Wirkens leitete César Ritz gleichzeitig zehn Hotels, darunter neben dem Mutterhaus am Pariser Place Vendôme das Londoner Carlton.

Er nahm das für einen früheren perfekten Oberkellner einzig würdige Ende: Er brach zusammen und dämmerte die letzten 15 Jahre seines Lebens in einer Klinik in Küssnacht am Rigi dahin, bis er 1918 endlich starb. Seine Witwe verkaufte in den 20er Jahren die Lizenzrechte des klangvollen Namens an amerikanische Investoren. 1983 erwarb der amerikanische Unternehmer William B. Johnson die Namensrechte, inzwischen gehört die Ritz-Carlton-Kette zum Marriott-Konzern.

Empfang im Bett

Man kann nun darüber streiten, wer nun der würdigere Erbe der Ritz-Tradition ist: Das ursprüngliche Ritz gehört zwar inzwischen dem als doch eher unseriös geltenden ägyptischen Geschäftsmann Mohammed Al-Fayed, dessen betrunkener Chauffeur letztlich für den Tod von Prinzessin Diana verantwortlich war, dennoch wird das Ritz in Paris, zumindest so lange der Schweizer Frank J. Klein dort Direktor ist, immer das prachtvollste und luxuriöseste Hotel der Welt bleiben, über das Ernest Hemingway schrieb: "Wenn ich vom Paradies träume, spielt die Handlung stets im Ritz." In der "Imperial Suite" des Pariser Ritz ist das Bett jenem des Sonnenkönigs am Hof von Versailles nachempfunden, mit einem Geländer, an dem ein Diener bereit steht, um dem Erwachenden nach einem genau durchdachten Protokoll seine Kleidung zu reichen.

Bis in die 50er Jahre galt es im Ritz als schick, im Bett der kaiserlichen Suite, "dans la ruelle", Besuch zu empfangen. Jedem der 140 Zimmer und 45 Suiten sind im Ritz mindestens drei Personen des Personals zugeteilt, das ist im europäischen Vergleich einmalig. Unerreicht sind auch die Badezimmer. César Ritz hatte entdeckt, dass sich Damen am besten fühlen, wenn sie bei der Abendtoilette von einem milden aprikosenhaften Licht umgeben sind. Alle Stoffe in den Badezimmern sind in diesem Ton gehalten.

Es gibt nichts, das man nicht beim Zimmerservice ordern kann. Bestellt man zum Beispiel ein Kamel, erntet man allenfalls die Gegenfrage: "Als Transportmittel, ausgestopft oder gegrillt zum Abendessen?" Der wesentliche Unterschied zwischen der Philosophie des Pariser Ritz und der der amerikanischen Ritz Carlton-Kette ist, dass im Pariser Ritz die Rollen zwischen Personal und Gast klar aufgeteilt sind. Hier der servile Diener, der den von ihm Bedienten notfalls verachten darf, aber dies kaschiert hinter einer bedingungslosen Unterwürfigkeit - auf der anderen Seite der Gast, der noch so ein Parvenu sein kann, aber wie ein absolutistischer Souverän umtänzelt werden muss.

Angst vor den Berliner Ureinwohnern

Die Grundauffassung der Ritz Carlton-Philosophie ist hingegen vergleichsweise egalitär. Die Angestellten sind dazu angehalten, dem Gast auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, jede Servilität zu meiden, dafür den Stolz eines perfektionistischen Gastgebers zu entwickeln. Das Leitwort der Ritz-Carlton-Gruppe lautet: "We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen." Jeder Mitarbeiter, bis hin zum für den unsichtbaren Tellerwäsche, soll sich für das gesamte Unternehmen verantwortlich fühlen, jeder Mitarbeiter hat Entscheidungskompetenz, die wichtigste Regel ist, stets und überall für den Gast ansprechbar zu sein, notfalls alles liegen und stehen zu lassen, um sich dem Bedürfnis eines Gastes zu widmen.

Eine wirklich großartige Innovation des Ritz Carlton ist zum Beispiel das absolute Verbot, vor dem Gast zu telefonieren. Am Concierge-Schalter wurden die Telefone völlig abgeschafft. Im Pariser Ritz kann es einem geschehen, dass man eine Viertelstunde vor einem telefonierenden Concierge wartet, bevor der einen überhaupt eines Blickes würdigt. Im Ritz Carlton ist es bei Kerkerstrafe verboten, für Gäste nicht ansprechbar zu sein. Ein weiterer Unterschied ist die Einlasspolitik. Während am Place Vendôme Nummer 15 ein strenger Portier vor der winzigen Drehtür steht, um jeden Touristen schon von weitem Abstand zu gebieten, gehört es zur Ritz Carlton-Philosophie, auch für Neugierige grundsätzlich zugänglich zu sein. Mit einem gewissen Bangen sieht das Management des neuen Ritz Carltons am Potsdamer Platz daher den nächsten Tagen entgegen.

Einerseits will man vermeiden, dass die wichtigen Gäste von Touristen begafft werden, andererseits will man keinesfalls einen Türsteher, der "normale Berliner" abschreckt. Für den Umgang mit den gefürchteten Berliner Ureinwohnern sucht das Management noch nach einer Ideallösung.

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