Herbsttradition:Stilvoll wiederbelebt

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Das Törggelen findet in seiner ursprünglichen Art immer mehr Liebhaber und Anhänger

Der größte Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern ist die gemeinsame Sprache. Was der Satiriker Karl Kraus über das sprachliche Verhältnis der beiden Nachbarvölker festgestellt hatte, das lässt sich im Prinzip auch auf Südtirol übertragen. Denn, auch wenn man hier offiziell Deutsch spricht, so ist das Südtirolerische doch reich an Begriffen, die manchem Urlauber so vertraut sind wie Verse aus dem Koran.

Um mit der Bauernschaft den "neuen" Wein zu feiern, besuchen Einheimische und Touristen die alten Bauernstuben. Hier tischen Wirtsleute eine herbstliche Hausmannskost auf. (Foto: Foto: Südtirol Markeing/Laslo)

Selbst beim Törggelen, diesem bereits touristisch aufbereiteten Brauch, ist es ratsam, sich mit den tradierten Gepflogenheiten vertraut zu machen. Dass es dabei vor allem um den "Sùser" und den "Nùjen" geht, dass "Keschtn", "Schlùzer" und zuweilen auch "Schöpsernes" kredenzt werden. Den Reisebusgesellschaften, die in den Speisesälen von Hotels vermeintliche Törggele-Abende goutieren, sind solche Feinheiten gewöhnlich fremd. Die Schizophrenie des Törggelen ist das grundsätzliche Problem. Einerseits ist es in seiner klassischen Form immer noch ein unter Einheimischen populäres und mit Bedacht gepflegtes Kulturgut. Andererseits hat die Kommerzialisierung in den 70-er und 80er-Jahren schwer am Ruf gezehrt, als Törggele-Ausflüge als preisgünstige Sauftouren interpretiert worden sind.

In seinem Ursprung geht das Törggelen auf die Zeit der k. und k.-Monarchie zurück, als sich die Weinbauern mit hausgemachten Speisen ein Zubrot verdienen durften. Die Bezeichnung selbst ist von der Weinpresse abgeleitet, die im Südtirolerischen "Torggl" heißt und auf das lateinische Wort "Torculum" zurückgeführt wird. Das traditionelle Törggelen beschränkt sich auf das Eisacktal südlich von Kloster Neustift bei Brixen, die Gegend um Bozen und das Meraner Becken und auf einen Teil des Unterlandes. Eben dort, wo auch Wein wächst und produziert wird. Puristen beharren darauf, dass nur dort echt "getörggelet" wird, wo Kastanien wachsen, die wichtiger Bestandteil der Marende sind und zum Beispiel im Süden nicht überall gedeihen. Seinen Ursprung hat das Törggelen, das gilt als ziemlich sicher, im Eisacktal.

Klassische Törggele-Einkehr ist der Buschenschank beim Weinbauern. Der Begriff Buschenschank rührt vom Brauch her, dass der Weinbauer eine zeitlich beschränkte Schanklizenz hatte und die Öffnung des Lokals mit einem Buschen am Haus signalisierte. Viele Weinbauern in Südtirol betreiben seit Generationen solche Buschenschänke. Auch wenn mancher Hof auf den ersten Blick nicht unbedingt einladend wirkt, wird man oft überrascht, welch herrliche, alte und vor allem originale Gaststuben sich im Innern des Hauses befinden, die sehr urig und gemütlich sind. In traditioneller Manier beginnt das Törggelen mit einer Wanderung zu einem oder mehreren Weinbauern, wo der Nùje, der junge Wein, und der Sùse, noch unvergorener Traubensaft, getrunken werden; dazu wird die Marende mit Keschtn, also Kastanien, natürlich Speck und Kaminwurzen, Hauswurst mit Kraut sowie den Schlùzern, den Schlutzkrapfen, verkostet.

Mit dem Törggelen geht es nach den Jahren der Billigvermarktung wieder aufwärts. Das sagt auch Georg Mayr, Obmann des Südtiroler Bauernbunds. Seit vier Jahren versucht der Bund mit einem Burschenschankführer das Törggelen mit seinen traditionsbewussten Gastgebern dem Publikum nahe zu bringen. Am neuen Aufschwung des Törggelen, so Mayr, hat neben den bäuerlichen Qualitätsprodukten insbesondere die Verbesserung des Südtiroler Weins großen Anteil, der beim Törggelen vorwiegend als Eigenbauwein ausgeschenkt wird.

Ein Indiz für diesen Trend und für die neue Popularität des alten Brauchs ist der Umstand, dass in besonders authentischen Törggelebetrieben abends ohne Reservierung kaum Platz zu bekommen ist. Freilich braucht es immer eine Weile, bis sich derlei Veränderungen bei den Urlaubsgästen rumgesprochen haben. Es wird also noch einige Zeit so bleiben, dass Touristen in Restaurants zuweilen beim Kellner ein Törggelen ordern.

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