Hamburg für Frühaufsteher:Makrelen und Marktschreier

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Der Stand als Bühne: Die Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt preisen ihre Ware an, schreien und erzählen derbe Witze - während die Fische in ihren Händen noch zappeln.

Es herrscht Gedränge zwischen den Buden. Viele Menschen recken die Hälse, um einen Blick auf die "Stars" werfen zu können, für die sie so früh aus dem Bett gekrochen sind.

"Und ich pack' noch einen dicken Aal mit dazu, und schauen Sie hier, dieses tolle Stück Lachs gibt's noch obendrauf!", ruft der Mann auf dem Verkaufswagen, bis sich einer der Zuschauer fast schüchtern mit einem Geldschein in der Hand vorwagt und das Fischpaket ersteht. Hinter dem Marktschreier geht gerade die Sonne über dem Hamburger Hafen auf.

Seit dem Jahr 1703 findet am Elbufer zwischen Hafenstraße und Großer Elbstraße an jedem Sonntag der traditionelle Hamburger Fischmarkt statt. Bis zu 70.000 Touristen, Nachtschwärmer und Frühaufsteher kommen im Morgengrauen her, um den Trubel hautnah mitzuerleben. Im Winterhalbjahr dauert der Markt von 7 bis 9.30 Uhr, von April bis September beginnt er sogar bereits um 5 Uhr.

Wer sich mit der Masse treiben lässt, findet sich schnell in einem nahezu unüberschaubaren Gewirr aus Buden und kleinen Ständen wieder. In den Auslagen sind Aale, Makrelen, Lachse und anderes Meeresgetier zu sehen. Dass manche Fische noch immer zappelnd nach Luft schnappen, ist vor allem ein Beweis für die Frische der Ware.

Längst kommen die Besucher aber nicht nur wegen der Fische. Die Marktschreier wie "Aale-Dieter", die heimlichen Stars des Marktes, nutzen ihre Stände als Bühne und bringen ihre Ware ebenso geschickt wie wortgewaltig an den Mann. So mancher Zuschauer, der lautstark zum Kauf aufgefordert wird, läuft angesichts der oft derben Witze, die auch unter die Gürtellinie zielen, leicht rot an. "Wollt ihr nur glotzen oder auch was kaufen?", beschwert sich einer der Verkäufer, als sein Publikum etwas zu zögerlich in den Geldbörsen kramt.

Ein paar Stände weiter bietet ein Käseverkäufer Kostproben an: "Sehen Sie, der schmeckt doch viel besser als der, den man in den Geschäften bekommt", verkündet er. Spätestens als er von gesunden Kühen und saftigen Weiden spricht, kann man dann nicht mehr widerstehen und ertappt sich plötzlich, wie man ein dickes Stück des Käses ersteht. Neben Obst, Schmuck und Korbwaren werden auch lebende Tiere zum Verkauf angeboten: Rund um die Käfige, in denen meist Kaninchen auf neue Besitzer warten, drängeln sich Familien. So manches Kind hat hier schon sein Herz an ein niedliches Schlappohr verloren - und so manche Mutter die Nerven.

Wer genug von diesem Trubel hat, mischt sich am besten unter die Nachtschwärmer, die für einen letzten Drink von der Reeperbahn zur Fischauktionshalle herüberkommen. Ursprünglich 1896 errichtet, fanden hier bis in die 70er Jahre die Fischauktionen statt. Dann verfiel das Schmuckstück, bis 1982 die Renovierung begann. Seitdem erstrahlt die Halle in der Form einer dreischiffigen Basilika in altem Glanz.

Heute finden die Partylöwen zwischen den Stahlpfeilern der Halle die letzte Anlaufstelle der Nacht. Neben der Eingangstür lehnen und liegen diejenigen, die besser schon ins Bett gegangen wären. Die Unverwüstlichen hingegen stoßen bei lautstarker Livemusik noch einmal an. Auf hungrige Frühaufsteher wartet dagegen der "Kapitänsbrunch". Anschließend schleppt sich dann so mancher mit vollem Bauch und noch volleren Einkaufstaschen nach Hause.

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