Fußball-WM 2006:Das Leinwand-Spektakel

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Die deutschen Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft überbieten sich gegenseitig mit "Events" und Werbekampagnen.

Von Klaus Ritzkowski

¸¸Auf dem Heiligengeistfeld wird eine Stimmung wie einst beim legendären Musikfestival Woodstock 1969 in Amerika herrschen", sagt der Hamburger Sportamtsleiter Hans-Jürgen Schulke. Das Areal zwischen Innenstadt und St. Pauli will die Stadt Hamburg zum zentralen WM-Dorf umbauen. Dort sollen die Spiele auf eine große Videoleinwand projiziert werden. Um die 60.000 Besucher werden dort während der Übertragung der Weltmeisterschaft erwartet. Im benachbarten St.-Pauli-Stadion soll es Fußball-Turniere für Touristen und Fan-Clubs geben.

Fifa-Logo WM 2006 (Foto: Foto: fifa-com)

Allerdings wird nicht jeder Besucher die WM-Spiele im Stadion direkt miterleben können. Für den Verkauf der Tickets hat der Weltfußballverband Fifa ein ausgeklügeltes System entwickelt. Die Eintrittskarten sind seit dem 1. Februar über das Internet zu bestellen und werden, wenn ein Spiel überbucht ist, unter den Interessenten verlost. Alle, die leer ausgehen, können dann die Spiele nur noch vor dem eigenen Fernseher oder auf öffentlichen Plätzen mit Großbildleinwand verfolgen.

Public Viewing

Auch Hannover plant die Einrichtung eines zentralen Treffpunktes zum ¸¸Public Viewing", wie das massenhafte Anschauen von Fernsehübertragungen genannt wird. Die Stadt, in der das Reihenendhaus des Bundeskanzlers und der rechteckige Maschsee zu den Attraktionen zählen, kann aufgrund ihrer guten Verkehrsanbindung mit vielen WM-Touristen rechnen.

Um noch mehr Besucher anzulocken, hat die Stadt eine so genannte ¸¸Botschafter Kampagne" gestartet, bei der Hannoveraner Bürger im Ausland Werbung für die WM machen sollten. Sie mussten ausländischen Freunden und Bekannten eine Teilnahmekarte für die Aktion schicken und diese dann ausgefüllt aus dem Ausland ins Rathaus zurück senden. Mit Glück konnten die Teilnehmer ein Wochenende in Hannover oder Tickets für ein Bundesligaspiel von Hannover 96 gewinnen.

Fan-Region Ruhrgebiet

Auch das Ruhrgebiet bemüht sich um Werbewirksamkeit. Der Ideenwettbewerb ¸¸fußballgärten.dortmund", an dem Architekturstudenten teilnehmen konnten, hat eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht, von denen nun etwa zehn in der Innenstadt umgesetzt werden sollen.

Ausgleich für die relativ geringe touristische Attraktivität der WM-Spielstätte Gelsenkirchen ist die notorische Fußballbegeisterung der Fans von Schalke 04, die auch auswärtige Besucher mitreißen soll. Eine 80 Quadratmeter große Videowand wird in der Glückauf Kampfbahn stehen, wo der FC Schalke 04 seine erfolgreichste Zeit hatte. Die Fifa rechnet mit immerhin 20.000 Besuchern während der Übertragungen.

In Köln weiß man schon jetzt, dass während der WM mehrere tausend brasilianische Fans zu Gast sein werden. Planeta Brasil Tourismo, der offizielle Reiseveranstalter des brasilianischen Fußballverbands, hat bereits 2000 Betten mit insgesamt fast 30.000 Übernachtungen gebucht.

An Köln schätzen die Brasilianer angeblich neben der günstigen Verkehrsanbindung zu anderen Spielstätten vor allem rheinische Karnevalsmentalität. Da die brasilianischen Fans davon ausgehen, dass ihre Mannschaft bis zum Ende des Turniers spielt, erwartet die Kölner Tourismuswirtschaft ein gutes Geschäft.

Leinwände im Fluss

Mit einer ¸¸Symphonie des Lichtes" will Frankfurt am Main die Fußball-WM eröffnen. In den Tagen vor dem Turnier sollen die Hochhausfassaden in der Innenstadt mit Licht-, Laser- und Videoprojektionen zu einem optischen Gesamtkunstwerk gemacht werden. Das zentrale ¸¸Public Viewing" soll am Mainufer stattfinden. Auf einer schwimmenden Plattform mitten im Fluss werden die Leinwände stehen, die man von beiden Uferseiten aus sehen kann.

In Rheinland-Pfalz wird die kleine Stadt Kaiserslautern Austragungsort der WM sein. Genau wie Gelsenkirchen mit Schalke 04 wurde Kaiserslautern mit seinem 1. FC wesentlich vom Fußball geprägt. Während der WM soll eine ¸¸Event-Meile" quer durch die Innenstadt führen. Neben der Projektion der WM-Spiele auf eine große Videoleinwand und einem Fan-Bereich sollen zahlreiche Künstler auftreten.

Für die Lauterer Taxifahrer sollen im Vorfeld Sprachkurse und Stadtrundgänge angeboten werden, damit sie im Juni 2006 zu den kompetentesten und freundlichsten in ganz Deutschland gehören. Sobald feststeht, welche Mannschaften in Kaiserslautern spielen werden, sollen sie noch über die verschiedenen kulturellen Gepflogenheiten der ausländischen Gäste informiert werden.

¸¸Bei uns wird auf dem Schlossplatz während der WM-Wochen ein Fest der Nationen stattfinden", sagt der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Der Schlossplatz bietet den WM-Besuchern eine gediegene Kulisse zum gemeinsamen Fußballschauen und Feiern. Und es wird vermutlich eine ähnliche Atmosphäre aufkommen wie beim Hamburger Woodstock auf dem Heiligengeistfeld oder am Frankfurter Mainufer.

Denn Ziel der Kommunen ist es, Deutschland als weltoffenes und freundliches Land zu präsentieren. Das offizielle Motto der Fußballweltmeisterschaft lautet denn auch: ¸¸Die Welt zu Gast bei Freunden", oder international ausgedrückt: ¸¸A time to make friends".

13.000 Journalisten in München

Mit besonders vielen Besuchern hat München zu rechnen. Dort findet die Eröffnungsfeier mit dem Eröffnungsspiel statt. Das Medienzentrum für die gesamte WM wird sich auf dem Gelände der Münchner Messe befinden. An Medienpräsenz dürfte München dann wohl konkurrenzlos sein, denn die Fifa rechnet mit insgesamt etwa 12.000 bis 13.000 akkreditierten Journalisten. Das neue Stadion, das am nördlichen Stadtrand neu gebaut wird, gehört zu den modernsten in Deutschland.

In der anderen bayerischen WM-Spielstätte Nürnberg wurde im vergangenen Jahr die ¸¸Deutsche Akademie für Fußball-Kultur" gegründet. Sie soll eine jährliche Gala zur Verleihung des deutschen Fußball-Preises veranstalten und eine ¸¸Ruhmeshalle des deutschen Fußballs" aufbauen. Die Akademie will den Fußballsport vor allem in seiner kulturellen Dimension erforschen.

In Ostdeutschland ist Leipzig die einzige WM-Spielstätte. Dort wurde das Gelände des in der Nachkriegszeit errichteten Zentralstadions, das 100.000 Zuschauern Platz bot, zum Bau eines modernen Fußballstadions verwendet. Die Stadt, deren Olympiabewerbung für 2012 erfolglos war, ist ein Sportstandort mit Tradition. Dort wurde etwa im Jahr 1900 der Deutsche Fußballbund gegründet.

In Berlin sind gleich zehn öffentliche Plätze für die Übertragung von WM-Spielen vorgesehen, unter anderem der Pariser Platz, das Sony-Center und der Gendarmenmarkt. Die Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule soll als WM-Partymeile genutzt werden.

Nach dem Prinzip der Love-Parade- wollen die Berliner der Welt zeigen, dass Deutschland ein modernes und tolerantes Land ist. Neben den Investitionen und zusätzlichen Umsätzen im Tourismus und Einzelhandel wird der größte Effekt der WM 2006 wohl auch ein genereller Imagegewinn Deutschlands sein. Wenn alles gut geht.

© Süddeutsche Zeitung vom 8. März 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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