Frankreich:Das Warten auf Bordeaux

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Die Grande Nation hat gebummelt - und muss jetzt nachsitzen. Zumindest, wenn es Richtung USA gehen soll. Denn nur der alte bordeauxfarbene Europapass ersetzt die neuen biometrischen Papiere, doch den haben die wenigsten Franzosen daheim.

Dass die USA eines Tages ein Einreiseverbot für französische Staatsbürger verhängen könnten, galt während des Irak-Krieges zumindest bei Kabarettisten als mögliches Szenario. Nun haben es die Franzosen selber geschafft, sich den Zugang in die Vereinigten Staaten zu verbauen.

Seit November nur noch mit Chip und biometrischen Daten: Der EU-Reisepass. (Foto: Foto: dpa)

Versäumnisse der Vergangenheit und ein bizarrer Streit um die Herstellung der neuen biometrischen Reisepässe haben dazu geführt, dass zahlreiche französische Bürger seit Oktober ein Visum für die USA brauchen. Weil das US-Konsulat die Flut der Anträge inzwischen nicht mehr bewältigen kann, haben Geschäftsleute und Touristen geplante Reisen in die Staaten bereits annullieren müssen.

Wie gegenüber allen EU-Ländern verlangen die USA seit dem 26. Oktober für kurzzeitige Aufenthalte wie Urlaubs- oder Geschäftsreisen grundsätzlich einen Reisepass, der digitalisierte biometrische Daten enthält.

Die Farbe Bordeaux

Ausnahmen gibt es nur für Reisende, die über einen maschinenlesbaren Europapass verfügen, der vor diesem Datum ausgestellt wurde. Wer den nicht hat, darf nur noch per Visum ins Land.

Und das sind in Frankreich offenbar viele. Anders als in Deutschland, wo der bordeauxfarbene Europapass schon seit 1988 ausgestellt wird und nur noch sehr wenige grüne Pässe im Umlauf sind, gibt es das EU-Dokument in Frankreich erst seit ein paar Jahren.

Dabei tauschten offenbar nur wenige der europaskeptischen Franzosen freiwillig ihren alten nationalen Pass gegen das neue EU-Format. Eine Pflicht zum Umtausch gibt nicht.

Angesichts der neuen US-Einreisebestimmungen hatte das französische Innenministerium dann offenbar ganz auf eine schnelle Fertigung der biometrischen Ausweise gesetzt. Der Autrag wurde an ein Privatunternehmen vergeben, weil die Nationaldruckerei angeblich nicht in der Lage ist, die Pässe mit eingebautem Chip herzustellen.

Das brachte die dortigen Gewerkschaften auf die Barrikaden. Auf ihr Betreiben wurde die Auftragsvergabe per Gerichtsentscheid für nichtig erklärt. Der Privatanbieter musste die Produktion einstellen. Ein schnelles Ende des Rechtsstreits ist nicht in Sicht.

Schon Mitte Dezember hatte die US-Botschaft deshalb gewarnt, dass Franzosen ohne gültige Dokumente ihren Besuch in den Vereinigten Staaten möglicherweise verschieben müssten. Doch der Hinweis verhallte vielfach ungehört. Mancher Weihnachtsurlauber erfuhr erst am Flughafen, dass er nicht abfliegen durfte.

Rund 500 Visa-Anträge würden zur Zeit pro Tag bearbetet, heißt es bei der US-Botschaft. Dies seien vier Mal so viele wie zu normalen Zeiten.

Wartezeit von fünf Wochen

Doch bis ins Konsulat schaffen es viele Antragssteller erst gar nicht, denn trotz Sonderschichten liegt die Wartezeit für einen Termin inzwischen bei fünf Wochen. Damit sind kurzfristige Reisen unmöglich. "Das wäre alles nicht passiert, wenn die biometrischen Reisepässe fertig wären", schimpft ein US-Diplomat.

Die französische Reisebranche macht sich inzwischen ernsthafte Sorgen. "Kunden mit Reiseziel USA, die noch ein Visum benötigen, können wir nicht mehr annehmen", sagt Michel-Yves Labbé, Chef des Veranstalters Directours, der rund ein Viertel seines Umsatzes mit US-Flügen macht. Dabei sei das Pass-Problem längst keines mehr, das auf die USA beschränkt sei.

Da für viele Flüge nach Mexiko oder auf die Bahamas ein Transit in den Vereinigten Staaten notwendig sei, müssten auch diese Gäste abgewiesen werden. Schon jetzt gibt es deshalb laut Labbé einen Rückgang von 30 Prozent bei Reiseanfragen und Reservierungen. Er fürchtet nun die Osterferien. "Wenn es bis März nicht gelingt, die gewünschten Pässe auszustellen, wird es sehr schlimm."

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