Flugsicherheit:Der Kapitän entscheidet, ob er abhebt

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Viele Menschen fragen sich nach der Katastrophe von Madrid, wie gefährlich Fliegen ist - die wichtigsten Fragen und Antworten zur Sicherheit.

Jens Flottau

Nach der Katastrophe von Madrid wird über die Zuverlässigkeit der zivilen Luftfahrt diskutiert. Spanische Piloten bewerteten den Sicherheitsstandard bei den Airlines in einer Umfrage unterschiedlich. Für die Fluggäste kommt es aber darauf an, dass sie sich ganz sicher fühlen können - und dass es dabei keine offenen Fragen gibt.

(Foto: Foto: AP)

Welche Rechte hat der Pilot?

Der Kapitän ist verantwortlich für das Flugzeug und damit auch für seine Sicherheit. Die Entscheidung, zu starten oder nicht, liegt allein bei ihm, er ist nicht an Weisungen von Vorgesetzten gebunden.

Der Kapitän kann sich weigern, ein Flugzeug wegen des technischen Zustandes für einen Flug zu übernehmen und sollte deshalb keine disziplinarischen Folgen zu fürchten haben.

Im Falle des Spanair-Absturzes hat sich die spanische Pilotengewerkschaft Sepla zwar über "Organisationschaos" bei der Airline beklagt, die Sicherheit aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Es gab aber in der Vergangenheit Unfälle, bei denen Zeit- und Leistungsdruck als eine von mehreren Ursachen eine Rolle gespielt haben.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, ob es bei europäischen Fluglininen Sicherheitsunterschiede gibt.

Sind einige europäische Fluggesellschaften sicherer als andere?

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Die Airlines betreiben unterschiedlich hohen Aufwand in Sachen Sicherheit. Generell gilt: Wer das Thema ernst nimmt und in Ausbildung und Standard investiert, wird davon profitieren. Es ist aber fast unmöglich, die daraus abgeleitete Sicherheit statistisch zu bewerten.

Zuletzt kursierten Ranglisten, die zeigen sollten, wer sicher ist und wer nicht. Die meisten taugen aber nichts, weil sie Faktoren vergleichen, die wenig über die tatsächliche Sicherheit aussagen - etwa das Flottenalter. Berücksichtigt werden müssten zumindest Größe und Alter der Airline.

15 der 60 größten Airlines haben noch kein Flugzeug durch einen Unfall verloren. Aber auch die von Abstürzen betroffenen Airlines sind nicht immer selbst dafür verantwortlich. Die EU hat eine schwarze Liste veröffentlicht, auf der 160 nicht-europäische Airlines stehen. Diese dürfen wegen Sicherheitsmängeln Europa nicht anfliegen. Der Nutzen der Liste ist umstritten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche wirtschaftlichen Konsequenzen Abstürze für Fluglinien haben.

Welche Auswirkungen haben Abstürze auf die Airlines?

Wie sehr Airlines wirtschaftlich unter Unfällen zu leiden haben, hängt vom Ruf ab, den sie bis zu dem Absturz genossen haben. Die Swissair galt als Vorbild an Sicherheit, dennoch stürzte im September 1998 eine MD-11 der Airline bei Nantucket/USA ab, 229 Menschen kamen ums Leben. Obwohl der Absturz auch Fragen über die Verantwortung des Unternehmens aufgeworfen hat, hatte der Crash kaum Auswirkungen auf die Buchungen.

Anders bei der damaligen US-Billigfluglinie ValueJet. Eine DC-9 mit 110 Menschen an Bord stürzte wegen eines Feuers im Frachtraum ab. ValueJet ging beinahe Pleite, weil die Behörden den Flugbetrieb für fast drei Monate verboten, obwohl dem Unternehmen nur indirekt eine Schuld nachgewiesen werden konnte. Das Unternehmen war aber zuvor bei mehreren Pannen aufgefallen und flog sehr alte Maschinen. Nach einer Fusion heißt die Airline heute AirTran.

Erfahren Sie, warum sich Airlines selten zu Sicherheitsfragen äußern.

Wie offensiv können sich Airlines verhalten, wenn es um eigene Fehler geht?

Die Unfalluntersuchungen sind Sache der Flugsicherheitsbehörden. Die Airlines äußern sich während der Analysen in der Regel schon aus rechtlichen Gründen kaum über mögliche Gründe.

In der Branche gilt der eherne Grundsatz, dass man über Sicherheit nicht spricht. Sie wird als selbstverständlich vorausgesetzt und gilt als für Werbezwecke ungeeignet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, dass Flugzeuge auch mit Mängeln starten dürfen.

Wie oft fallen Flüge aus?

Statistisch gesehen kommen Verkehrsflugzeuge auf eine Zuverlässigkeit von mehr als 99 Prozent. Zuverlässigkeit bedeutet, dass die Maschine wegen technischer Probleme nicht mehr als 15 Minuten verspätet die Parkposition erreicht. Oft sind Schäden noch vor Ort zu reparieren, ohne dass der Flug ausfällt.

Ein Flugzeug darf mit Mängeln starten, die allerdings genau definiert sind. Was unbedingt funktionieren muss, steht in der Minimum Equipment List (MEL).

Airlines mit großen Flotten müssen fast täglich Ersatzflugzeuge einsetzen, wenn Reparaturen zu lange dauern. Ist ein Langstreckenflug aus dem Ausland betroffen, kann das teuer werden, weil Passagiere in Hotels untergebracht oder umgebucht werden müssen. Zudem fallen oft Transportkosten für Ersatzteile an.

© SZ vom 26.08.2008/lpr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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