Europäischer Gerichtshof:Bessere Entschädigung für Fluggäste

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Airlines müssen Passagiere künftig auch dann entschädigen, wenn ein Flug wegen technischer Defekte annulliert wurde.

Jeanne Rubner

Passagiere können in Zukunft sehr viel häufiger als bisher mit einer Entschädigung rechnen, wenn ihr Flug annulliert wurde. Das haben die Richter vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg am Montag entschieden.

(Foto: Foto: AP)

Danach darf eine Fluggesellschaft es in der Regel nicht ablehnen, den Reisenden einen Ausgleich zu zahlen, wenn ihr Flug wegen eines Motorschadens oder anderer technischer Probleme gestrichen wurde. Bislang haben Airlines sehr häufig solche Entschädigungen verweigert mit dem Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände".

In dem aktuellen Fall hatte eine Österreicherin geklagt, die für sich und ihre Familie Tickets von Wien über Rom nach Brindisi gebucht hatte. Nach der Abfertigung wurde ihnen mitgeteilt, dass der Alitalia-Flug von Wien nach Rom wegen eines Schadens an der Turbine, der am Vorabend entdeckt worden war, annulliert sei.

Zwar erhielten die Passagiere Plätze auf einer anderen Maschine, sie verpassten jedoch den Anschlussflug in Rom. Die Reisende berief sich auf eine EU-Verordnung und verlangte eine Ausgleichzahlung von 250 Euro plus zehn Euro Telefonkosten. Nachdem die italienische Fluggesellschaft nicht zahlen wollte, klagte sie. Der Fall wurde vor dem Handelsgericht in Wien verhandelt, das seinerseits die Luxemburger Richter um Klärung bat.

Die EU-Richter haben ein klares Urteil gefällt: Nur wenn eine Fluggesellschaft nachweisen kann, dass der Flug wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert werden musste, muss sie nicht zahlen. Dazu gehören zum Beispiel Fabrikationsfehler oder Sabotage.

Wenn aber eine Wartung unterblieben ist oder ein gewöhnlicher technischer Defekt bei einer Wartung kurz vor Abflug entdeckt wird, kann sich die Airline nicht herausreden. Dann muss sie zahlen. Darüber hinaus machten die Luxemburger Richter in ihrem Urteil deutlich, dass die Beweislast bei der Fluggesellschaft liegt, wenn sie sich auf außergewöhnliche Umstände beruft.

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Verbraucherorganisationen begrüßten den Richterspruch. "Das ist ein sehr positives Urteil für Passagiere", sagt Tjitze Noorderhaven von EUclaim. Das niederländische Unternehmen, das Flugdaten aus aller Welt speichert, bietet Kunden Unterstützung im Streit mit Fluggesellschaften an, die nicht zahlen wollen. Laut EUclaim werden täglich allein in der EU 400 Flüge annulliert.

Höhe der Entschädigung klar festgelegt

Die Höhe der Entschädigung ist in der seit 2005 gültigen EU-Verordnung Nummer 261/2004 klar festgelegt: Auf Strecken bis 1500 Kilometern haben Passagiere Anspruch auf 250 Euro pro Person. Bei bis zu 3500 Kilometer langen Strecken sind 400 Euro fällig und bei noch längeren Entfernungen muss die Airline 600 Euro pro Person zahlen.

Bislang aber hätten die Fluggesellschaften sich häufig geweigert zu zahlen, sagt Noorderhaven von EUclaim, es sei deshalb in den vergangenen Jahren häufig zu Prozessen gekommen. Das Urteil solle jetzt für Klarheit sorgen, heißt es in Luxemburg.

Lieber verspätet, als annulliert

Die EU-Regeln sehen eine Entschädigung nur im Fall einer Annullierung vor. Bei Verspätungen von mehr als zwei Stunden haben die Reisenden in der Regel nur Anrecht auf Essens- und Getränkegutscheine sowie zwei kostenfreie Telefonate und falls nötig eine Hotelübernachtung. Deshalb vermeiden die Airlines es, Flüge zu streichen, und nehmen lieber stundenlange Verspätungen in Kauf - nicht selten bis zu zehn Stunden, wie es bei EUclaim heißt.

In Luxemburg wird derzeit auch darüber verhandelt, ab wann eine Verspätung als Annullierung gelten muss, nachdem der Bundesgerichtshof einen Streit über diese Frage an den Europäischen Gerichtshof überwiesen hat. Dazu soll es im kommenden Jahr ein Urteil geben.

Die Fluggesellschaften werden mit dem Urteil auch stärker in die Pflicht genommen, den Nachweis zu erbringen, dass es sich bei der Annullierung um einen außergewöhnlichen Umstand handelte. Dies hätten sie bislang häufig verweigert, heißt es bei EUclaim. Erschwerend kommt hinzu, dass nach einer neuen Erhebung die Airlines ihre Passagiere nicht ausreichend über ihre Rechte informieren.

© SZ vom 23.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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