Ende der Reise:Rothenburgs Verwandlung

Lesezeit: 1 min

Für alle Mittelalter-Fans klingt es nach einer Hiobsbotschaft: "Rothenburg ob der Tauber erfindet sich neu!", frohlockt der Tourismus-Verband der mittelfränkischen Stadt in einer Pressemitteilung. Was soll das heißen?

Von Stefan Fischer

Für alle Mittelalter-Fans klingt es nach einer Hiobsbotschaft: "Rothenburg ob der Tauber erfindet sich neu!", frohlockt der Tourismus-Verband der mittelfränkischen Stadt in einer Pressemitteilung. Was soll das heißen? Werden die Fachwerkhäuser abgerissen, um Platz zu schaffen für mediterrane Steinhäuser oder gläserne Hochhausarchitektur? Werden die mittelalterlichen Gassen begradigt zu Prachtboulevards? Wird gar ein Besuchsverbot für Amerikaner verhängt? Ist Rothenburg nicht gerade deshalb so sehenswert, weil sich dort vermeintlich nichts verändert hat?

"Viele Jahre lang hat sich die komplett denkmalgeschützte ehemalige Reichsstadt damit zufrieden gegeben, internationales Symbol des mittelalterlichen Deutschlands zu sein", maunzt jedoch das mit diesem Status unzufriedene internationale Symbol des mittelalterlichen Deutschlands. Wo es doch andere Kleinstädte, die für attraktivere kulturelle oder industrielle Epochen stehen, viel leichter haben im Wettstreit um Touristen: Freital in Sachsen etwa mit seinen aufgeschlossenen Neonazis oder Jänschwalde in Brandenburg mit seinem landschaftlich reizvollen Braunkohletagebau. Wohingegen sich Rothenburg mit läppischen zwei Millionen Besuchern im Jahr begnügen muss, denn scheinbar haben die meisten Leute nun einmal keinen Sinn für Fachwerk und Zünfte und Ritter und Burgen. Und wie provinziell das obendrein ist!

Nein, auch in Rothenburg wird man nun "internationalen Trends" folgen - mit "gelebter Regionalität". So heißt dann die eine der beiden Neuerfindungen ganz regional ausgedrückt "Handmade in Rothenburg". Verkürzt gesagt darf man darunter verstehen, dass die Rothenburger den Nippes, den sie an Touristen verkaufen, künftig vermehrt selbst vor Ort herstellen wollen. Die zweite, parallel ausgerufene Initiative heißt "Genießen ob der Tauber": Die heimischen Bratwürste, die bislang schlicht als Bratwürste serviert werden, sollen mit mehr Heimatstolz auf den Teller kommen. Man muss die Dinge ändern, so heißt es, damit alles beim Alten bleiben kann. Im Tourismus muss man manchmal sogar nur so tun als ob. In Rothenburg bleibt das Motto: Busse statt Bagger.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: