Ende der Reise:Nur das Beste

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Hauptsache, die Urlauber kommen: Manchmal kennen Marketing-Abteilungen keine Schamgrenzen. Etwa vor dem Internationalen Kindertag.

Von Stefan Fischer

Wer Goethe zitieren kann, ist auf der sicheren Seite. Und was hat dieser Mann nicht alles geschrieben. Aber beinahe noch wichtiger: Was kann man ihm nicht alles in den Mund legen. ". . . und in der Kunst ist das Beste gut genug", hat er in der "Italienischen Reise" an einer Stelle notiert. Da freilich das ganze Leben Kunst ist, kann man das K-Wort in dem Zitat umstandslos ersetzen und spricht trotzdem stets im Sinn des Alten.

"Für Kinder ist das Beste gerade gut genug", wirbt nun also eine Presseagentur im Namen einiger Hoteliers, für die sie tätig ist; und weiß zu berichten, dass dies "schon Johann Wolfgang von Goethe zu sagen" pflegte. Was so nicht ganz stimmt, aber eben auch egal ist, jedenfalls Menschen, die Fünfe gerne mal gerade sein lassen (eine Redewendung, die wiederum unter anderem bei Goethes Zeitgenossen Ludwig Tieck in "Die verkehrte Welt" auftaucht). Hauptsache, die solvente Kundschaft bucht: Die Hotels, die da bildungshubernd beworben werden, bieten hohen Standard, einige sind extrem luxuriös. Entsprechend aufwendig werden auch die Kinder der Gäste umsorgt - diese Unternehmen können es sich leisten, ihren Kunden viel zu bieten. Ein Resort auf den Malediven etwa engagiert "die besten Lehrer weltweit" für seine Sommer-Camps.

Nur Anstand ist nicht käuflich. Dass Goethe als Werbebotschafter herhalten muss: geschenkt. Dass aber der Internationale Kindertag am kommenden Montag zum Anlass genommen wird, um vermögende Menschen mal wieder auf die Idee zu bringen, ihren Kindern Träume zu erfüllen - das ist ziemlich schamfrei. Mit einem Meeresbiologen vor Kambodscha zu schnorcheln, Schildkröten an einem Palmenstrand zu kraulen oder in Botswana während einer Safari um ein Lagerfeuer zu sitzen - daran dachten sicherlich auch die Teilnehmer der Genfer Weltkonferenz für das Wohlergehen der Kinder im August 1925, als sie debattiert haben, was Kinder am dringendsten benötigen und wie sichergestellt werden kann, dass sie es bekommen.

Niemand muss aus Solidarität darben. Und das Elend auf der Welt wird nicht geringer, weil sich jemand einen Südsee-Urlaub verkneift. Aber wer den Internationalen Kindertag derart instrumentalisiert und im gleichen Atemzug auch noch ein Ferien-Apartmenthaus als "Zufluchtsort für die ganze Familie" bezeichnet, glaubt vielleicht wirklich, dass sich Kinderglück in Gold aufwiegen lässt.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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