Ende der Reise:Nicht geizen mit der Hygge!

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Wir alle häufen viel zu viel Materielles an. Wofür? Die Dänen sind schlauer, sie verkaufen uns nun ihr Wohlgefühl.

Von Hans Gasser

Das letzte Hemd, heißt es so schön, hat keine Taschen. Und was macht der Mensch, ob Frau, ob Mann? Er häuft materielle Dinge an. Bis die Erben dann den Keller entrümpeln müssen und dabei feststellen, dass der eigene auch schon ganz gut gefüllt ist.

Und der Urlauber häuft Sehenswürdigkeiten an, hortet sie wie Schätze auf seinem Smartphone, meist ist er ganz selfiemäßig Teil des Schatzes, gern hat er neben sich mindestens Unesco-Welterbe-Stätten. Seht her: die Pyramiden, die Tempel von Angkor Wat, der Kölner Dom. Und ich war da.

In 70 Jahren kennt uns keiner mehr, und keiner wird wissen, wer der Typ da neben den Tempeln ist, sofern dann die Fotodaten von den neuen Geräten überhaupt gelesen werden können.

Vergeblich ist alles Streben, und deshalb sollten wir mehr auf die Dänen hören. Sie belegen im World Happiness Report regelmäßig Platz eins, während wir südlichen Nachbarn eher so um Platz zehn herumdümpeln. Woran liegt das? Natürlich an der Hygge. Darüber wurden Doktorarbeiten und Bestseller geschrieben, aber man tritt den Autoren nicht zu nahe, wenn man leicht verkürzt sagt: Hygge ist die Fähigkeit, bei permanentem Schietwetter sich einzureden, es sei doch alles ganz nett. Kerzen anzünden, Kaminfeuer, Strandspaziergänge bei Windstärke sieben.

Und weil diese Art von Realitätsverweigerung eben happy machen kann, beantragen die Dänen nun, dass die Unesco Hygge in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufnimmt. Die Initiative geht natürlich von der Tourismuszentrale aus, was ein genialer Schachzug ist. Wenn Hygge endlich von der Unesco geschützt ist, dann wollen noch mehr Touristen ins Land der weißen Strände und überteuerten Designermöbel kommen. "Can you show me hygge?", werden die Gäste aus Fernost fragen. Und ihnen wird gegeben werden. Denn so immateriell kann etwas gar nicht sein, als dass sich daraus nicht ganz weltlich Kapital schlagen ließe.

Dieser Vorstoß darf nicht unbeantwortet bleiben. Auch in Deutschland gibt es viel Schützenswertes: die Berliner Schnoddrigkeit etwa, arg bedroht durch den Zuzug von Zehntausenden Schwaben. Der schwäbische Geiz - ebenfalls durch Migration großzügiger Muslime in Gefahr. Und nicht zuletzt die bayerische Gemütlichkeit, die seit der Übernahme der Wiesn durch australische Touristen nicht mehr so richtig aufkommen will. Ein Fall für die Unesco!

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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