Ende der Reise:Knipsen statt Knuspern

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Eine neue Kampagne der Bahn heißt "gekocht. gebloggt. geliked". Posten Passagiere also bald Fotos von ihren Speisen, wie in der normalen Welt?

Von Stefan Fischer

Die Bahn wäre so gerne modern. Aber solange unterwegs dauernd das Mobilfunknetz zusammenbricht und die Wlan-Kapazitäten so gering bleiben, dass in einem vollbesetzten ICE maximal drei Passagiere zur gleichen Zeit je einen Film streamen können, wird ihr der Ruf anhaften, nicht Schritt zu halten mit dem Fortschritt. Das ist nicht immer gerecht. In der Automobilindustrie gilt gerade als der letzte Schrei, Systeme zu entwickeln, in denen sich selbstfahrende Autos zu Konvois zusammenkoppeln. Ähnliches macht die Bahn seit Jahrzehnten, um viele Menschen, die denselben Weg haben, an ihr Ziel zu bringen - und gilt als gestrig.

Insofern kann man nur zu gut verstehen, dass die Bahn nun die Köche in ihren Bordrestaurants abschafft und durch Food-Blogger ersetzt. Was helfen schließlich frische Zutaten, wenn das Image altbacken ist? Zumal Bloggen das neue Schlemmen ist. Knipsen statt Knuspern.

Die Kampagne der Bahn heißt "Mehr als nur Essen: gekocht. gebloggt. geliked". Das ist natürlich bahnbekannt halbherzig. Weil eben doch noch gekocht wird. Eine Kohlroulade mit Blutwurst-Apfel-Füllung hat sich der erste Blogger als Aktionsgericht für Februar und März ausgedacht. Die Bahn preist ihn als einen der größten Ästheten unter seinesgleichen an. Auf die Optik kommt es schließlich an bei diesen Leuten, die Essen fotografieren und diese Bilder dann in die digitale Welt setzen, nicht auf Geruch und Geschmack.

Die Passagiere sollen also künftig zwar auch noch essen können in der Bahn, vor allem aber, animiert von einem Profi-Food-Blogger, sich so natürlich verhalten können wie in der normalen Welt auch. Also Fotos von ihren Speisen posten und ganz Instagram in Kohlrouladen wickeln. Alle, die gerade nicht mit der modernen Bahn unterwegs sind, können diese Bilder liken und retweeten und darüber bedauern, dass sie daheim geblieben sind.

Warum nicht jeder Fahrgast gleich ein Profi-Kohlrouladen-Foto per Push-Nachricht auf sein Smartphone bekommt, das er dann weiterverbreiten kann, und die Bahn sich die umständliche Kocherei ganz spart, wo es doch vor allem um das digitale Dasein der Mahlzeiten geht: Das wissen sie wahrscheinlich nicht einmal bei der Bahn. Allerdings muss man die Leute ja beschäftigen, wenn das Handy mal wieder kein Netz hat. Zur Not eben mit Messer und Gabel und Hausmannskost.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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