Ende der Reise:Jenseits von St. Moritz

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Auf den Malediven hat eine weitere Fünfsterne-Anlage eröffnet. Sie verfolgt allerdings ein neues Konzept: "Gypset". Was das bedeutet? Leben wie die Gipsys und die Jetsetter, unkonventionell, aber luxuriös. Wenn das mal gutgeht.

Von Hans Gasser

Was ist nur aus dem Jetset geworden? Jetset, da denkt man natürlich sofort an einen ganzen Burschen wie Gunter Sachs. Heute in St. Tropez, auf der natürlich selbst gesteuerten Segelyacht, morgen in St. Moritz, um sich tollkühn die Bobbahn hinunterzustürzen, und übermorgen bei der Vernissage zur eigenen Fotoausstellung. Natürlich immer begleitet von der Bardot oder einer anderen hinreißenden Frau, die was hermachte für die Paparazzi.

Sachs ist tot und ein würdiger Nachfolger bis Redaktionsschluss nicht aufgetaucht. Umso trauriger, wenn plötzlich eine Pressemitteilung der gefühlt dreihundertsten Fünfsterne-Anlage auf den Malediven ins Büro flattert. Das Schreiben wirbt für dieses neue "Barfuß-Resort", das selbstredend eine ganze Insel umfasst, mit dem einzigartigen "Gypset"-Konzept. Gipsfuß, was? Das sei, so erfährt man weiter, die Kombination aus Gipsy und Jetset, es verbinde einen "unkonventionellen Lebensstil mit luxuriösem Ambiente". Was das konkret heißt? Die 59 Quadratmeter großen Bungalows seien in leuchtenden Farben gestaltet (Gypsy?) und das halb offene Badezimmer mit Wanne und separater Außendusche (Gypsy!) ermögliche "ein Bad unter den Sternen" (Jetset?). Das auf einer eigenen Insel gelegene Restaurant "Drift" lade außerdem zum "Mittagessen im Robinson-Crusoe-Ambiente" ein.

Mal ganz abgesehen davon, dass Crusoe sich sein Essen selber erjagen musste, und auch abgesehen davon, wie nah man den armen Gipsys, vulgo Roma und Sinti tritt, wenn man sie auf bunte Farben und sanitäre Anlagen im Freien reduziert. Welcher wirkliche Jetsetter alter Prägung hätte sich erstens mit läppischen 59 Quadratmetern und zweitens mit einer Dusche im Freien ködern lassen? Gunter Sachs sicher nicht. "Wo hängen hier die Warhols?", hätte er gefragt, gefolgt von einem: "Wie viele Single Malts habt ihr in der Bar?"

Da beide Fragen im Falle der Malediven mit ratlosem Erstaunen seitens des Personals quittiert worden wären, hätte Sachs seinen unausgepackten Koffer genommen und wäre in seinem Jet Richtung St. Moritz geflogen.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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