Ende der Reise:Entdecker auf Tour

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Die Polizei hat auf der A1 in Holstein einen Liegeradfahrer gestoppt. Der Amerikaner wollte nach Barcelona, das Navi hatte ihm den Weg gewiesen. Ein Pionier!

Von Jochen Temsch

Die Verwirrung begann bereits mit Christoph Kolumbus, der einen Hafen in China anpeilte, unterwegs die Seepassage nach Indien finden wollte und dabei auf Amerika stieß, was darauf schließen lässt, dass der große Navigator über weite Strecken seiner Entdeckungsreise keinen blassen Schimmer davon hatte, wo er sich befand. Somit hat Kolumbus einiges mit Pauschalurlaubern auf Mallorca gemein, die ihre Lieblingsinsel für das 17. deutsche Bundesland statt für spanisches Territorium halten. Oder mit einem Kosmopoliten vom Schlag des Fußballers Andreas Möller, der einmal, auf seine sportliche Zukunft angesprochen, die berühmt gewordene klare Reiserichtung vorgegeben hat: "Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien."

Heute gilt noch mehr als zu Kolumbus' Zeiten: Zum Reisen gehört nicht unbedingt ein Plan im Sinne einer Landkarte. Immer wieder wird von der Tourismusindustrie vermeldet, es komme den Urlaubern nicht mehr auf die Ziele an, weil jeder sowieso schon überall war, sondern auf die Art des Urlaubs. Singles, Fahrradfahrer oder Hundebesitzer - jeder verschwindet in einem speziellen Hotel, und egal ob Spanien oder Italien - Hauptsache Kreuzfahrtschiff, das einen Urlaubsort an sich darstellt, wo immer es herumkurvt. Da ist es äußerst erfrischend zu erfahren, dass es doch noch echte Entdecker unter den Reisenden gibt. Unerschrockene, die sich wie einst Kolumbus aufmachen, die Welt zu durchmessen, einen starken Willen in den Knochen und einen modernen Sextanten im Gepäck, bereit, sich über Tausende Kilometer den Launen der Elemente zu unterwerfen. Menschen wie den amerikanischen Liegeradfahrer, den die Polizei diese Woche auf der A 1 in Holstein gestoppt hat. Er kam aus Oslo, hatte Barcelona angepeilt und dabei die Autobahnauffahrt entdeckt, die ihm das Navi seines Smartphones wies. Der Mann zeigte sich den Beamten gegenüber geschockt von seinem Verhalten.

Nun könnte man natürlich einwenden, dass Liegeradler die Andreas Möllers unter den sportlichen Individualreisenden sind. Aber damit würde man dieser Pionierleistung nicht gerecht. Gegen Amerika bumsen sowieso alle automatisch, die gen Westen segeln. Aber nicht jeder stößt unterwegs auf Erkenntnis und entdeckt spät, aber immerhin seinen Verstand.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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