Ende der Reise:El Capitan im Ötztal

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Die geografisch offenbar wenig versierte AfD Nürnberg hat kürzlich mit dem Matterhorn auf ihren Wahlplakaten geworben. Darauf der Slogan "Hol' dir dein Land zurück". Was die Frage aufwirft, ob die Partei die widerborstige Schweiz ins Deutsche Reich eingliedern will.

Von Dominik Prantl

Bevor die Plattentektonik und ähnlicher geowissenschaftlicher Schnickschnack für das Auf- und Verschieben von Erdmassen verantwortlich gemacht wurden, hat der Evangelist Matthäus den Lehrsatz Jesu festgehalten, wer eigentlich wirklich für das Versetzen von Bergen zuständig ist: "Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin!, so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein." Dass die Berge nicht kreuz und quer über den Globus schweben, lässt sich folglich nur damit erklären, dass der Glaube der Menschen nur noch selten Senfkorngröße erreicht. Schon längst hätte sonst Reinhold Messner die Achttausender Asiens mit einem herrischen "Hebt euch zu mir!" in die heimatlichen Gefilde Südtirols befehligt. In Dubai befänden sich die österreichischen Skihänge oder zumindest die Ischgler Après-Ski-Hütten anstelle einer wüsten Skihalle, und der wunderbare Watzmann wäre als Kulisse und vertikaler Sportplatz längst vom Berchtesgadener Land ins grenzwertig fitnessbewusste München überführt.

So aber bleibt den Ungläubigen nichts anderes übrig, als die Berge auf Postern zu versetzen. Die auch geografisch offenbar wenig versierte AfD Nürnberg hat kürzlich beispielsweise mit dem Matterhorn auf ihren Wahlplakaten geworben. Darauf der Slogan "Hol' dir dein Land zurück" , was natürlich die Frage aufwirft, ob die AfD die so lange widerborstige Schweiz endlich ins Deutsche Reich einzugliedern verspricht. Kaum beachtet wurde hingegen eine für den Ötztaler Radmarathon werbende Fotomontage, die keinen Ötztaler Berg enthält, sondern die leicht verfremdete, dafür gleich mehrfach verwendete Fassade des El Capitan. Der besonders unter Kletterern berühmte Felsbrocken steht eigentlich im Yosemite-Nationalpark im Westen der USA.

Das wirft weniger die Frage auf, ob die Österreicher endlich das schwarzeneggersche Kalifornien eingemeinden, als es den Verdacht weckt, dass wir ständig für doof verkauft werden. Stammt dieses wunderbare Plakat vom Strand bei Binz wirklich von der Ostsee oder ist es doch nur eine von Grafikern angepasste Karibik? Erstrecken sich die Lavendelfelder auf der Frankreichwebsite tatsächlich bis zum Horizont oder hat sie jemand bei Photoshop auf die Streckbank gelegt? Und werden die Münchner bald mit einem Watzmann vor der Haustüre aufwachen, der sich bei näherem Hinsehen als gut gemachte 3D-Projektion entpuppt? Wir wollen das nicht glauben. Noch nicht.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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