Ende der Reise:Die Fantasie des Winters

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Die Dinge verkehren sich: In Kalifornien, dem Land des ewigen Frühlings, fallen sechs Meter Schnee, und im alpinen Winter laufen die Kanonen heiß.

Von Dominik Prantl

Die Fantasie soll ja ein ewiger Frühling sein, hat Friedrich Schiller einmal fantasiert. Nur ist sie heute - eher dem Winter ähnelnd - leider nicht mehr das, was sie zu Schillers Zeiten war. Das hängt ausnahmsweise nicht mit dem Klimawandel zusammen, sondern mit einer kaum mehr überblickbaren Bilderflut, die jede Vorstellungskraft frühzeitig im Keim erstickt. Das südliche Afrika? Eine Savannenidylle, durch die Elefantenhorden und Löwenrudel streifen. Die Südsee? Von Palmen bestückte Zuckersandstrände, auf der als Hula-Tänzerinnen camouflierte Kellnerinnen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Die Alpen? Ein Winterwonderland, in dem man über Pisten wedelt. Womit wir nach den Eigenheiten des Reisemarketings bei unserem zweiten Lieblingsthema wären: der Beschneiung.

In Deutschlands Medien herrscht seit einigen Jahren ein überzogen kritischer Umgang mit der technischen Beschneiung in Skigebieten - das sagen zumindest jene, die das freilich viel objektiver beurteilen können als die Medien, nämlich die Skigebietsbetreiber. Die würden ohne Beschneiung ja spätestens seit Dezember auf den Straßen zwischen Zermatt und Schladming Schlange stehen, wo sie wegen Unterbeschäftigung um ein paar Flocken betteln müssten, und mit ihnen all die Wellnessanbieter, Handschuhverkäufer oder wer eben sonst noch so vom geregelten Pistenbetrieb abhängig ist. Weil so viel Fantasie kannst du gar nicht haben, dass die Leute ohne Schnee Ski fahren wollen, außer Wasserski vielleicht. Das würde sogar dem Schillerfritz als altem Idealisten einleuchten.

Und was macht der Winter? Der besinnt sich wie zur Rache auf die Fantasie. Er macht das einerseits hier bei uns, wo er - von Mensch und Schneekanone in eine Nebenrolle gedrängt - nach der Weihnachtssaison hämisch einen Meter Schnee als Appetithappen fallen ließ, bevor er eiskalt weiterzog. Er tut das auch an der Westküste der USA, wo die Menschen normal eher Wasserski fahren. Im Skigebiet Mammoth Mountain östlich von San Francisco gab es alleine im Januar bis zu sechs Meter Schnee, was dort schon so manchen Sessellift zum Erliegen brachte. Ist aber nur halb so schlimm, weil die Skisaison dafür bis zum 4. Juli dauern soll. Mindestens. Wenn jetzt noch der ewige Frühling aus Kalifornien zu uns rüberwechselt und ein paar neue Bilder mitbringt, könnte es ein wahrlich fantastisches Reisejahr werden.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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