Einsamkeit mit Ausblick:Das Meer fühlen, hören und erleben

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Leuchttürme sind begehrte Reservate für Romantiker. Vor allem nachts.

Von Jonny Rieder

Rot-weiß geringelt, rund und einsam. So stellt man sich einen Leuchtturm vor. Und so wird er auf Postkarten und Gemälden am häufigsten abgebildet.

30 Meter hoch und 30 Seemeilen im Meer draußen: Leuchtturm "Roter Sand" (Foto: Foto: dpa)

Das perfekte Vorbild steht fast 30 Seemeilen (55 km) nordwestlich von Bremerhaven mitten im Meer. Nach zwei Stunden Schifffahrt Richtung Helgoland taucht er am Horizont auf. Ein winziger Punkt, der ganz langsam, als habe er alle Zeit der Welt, zu einem stattlichen Turm heranwächst.

Bei niedrigem Wasserstand ragt der Leuchtturm Roter Sand gut 30 Meter über den Meeresspiegel. Im Südwesten schimmert Wangerooge. Ansonsten Wasser so weit das Auge reicht. Wer die 70 Stufen bis zur Galerie geschafft hat, sieht Helgoland, das nachts Leuchtfeuergrüße herüber sendet.

Schmale Kojen

Als erstes feststehendes Bauwerk auf offener See machte Roter Sand 1885 Geschichte. Gute 100 Jahre später erlosch das Licht für immer. Nach heftigen Bürgerprotesten wurde er schließlich nicht der See überlassen, sondern mit großem Aufwand renoviert und als Denkmal erhalten. Seit 1999 ist Roter Sand für Besucher geöffnet. Trotz der schmalen Kojen sind Übernachtungen beliebt und frühzeitig für die laufende Saison ausgebucht.

Sechs Besucher können hier gleichzeitig bis zu zwei Nächte verbringen und eine außergewöhnliche Form der Einsamkeit erleben - in jedem Fall mit einem 360-Grad-Panoramablick. ¸¸Die kommen wie verwandelt runter und reden über nichts anderes mehr", sagt der ehemalige Samann Hans Kurschus. Der 69-Jährige betreut die Übernachtungsgäste.

Manchmal, wenn die See sehr rau ist, müssen Besucher länger als geplant auf dem Roten Sand bleiben. ¸¸Auf Kosten des Hauses. Aber bisher haben alle ihre unfreiwillige Urlaubsverlängerung sehr genossen", versichert Kurschus.

Ungebrochene Ausstrahlung

Ausguck mal anders: vom "Roten Sand" herunter grüßen (Foto: Foto: dpa)

Leuchttürme sind tragende Säulen der Küstenromantik. Auch wenn sie ihre Funktion als Schiffslotsen verloren haben und ihre Leuchtfeuer erloschen sind, ist ihre Ausstrahlung ungebrochen. Die Idee, in einem Ex-Leuchtturm zu übernachten, zieht Touristen magisch an. ¸¸An den Wochenenden sind wir fast immer voll", sagt Antje Göttsche.

Seit zwölf Jahren betreibt sie eine Leuchtturm-Pension auf der kleinen Insel Neuwerk, nordwestlich von Cuxhaven. In dem massiven rechteckigen Backsteinturm fühlt sich der Gast viel weniger den Elementen ausgesetzt als im Roten Sand. Dennoch: Wenn nicht gerade Schulklassen die Aussichtsplattform entern, fühlt man sich dort oben wie ein Herrscher über Wind und Meer. Unten glänzt das Watt im Abendlicht.

"Absolute Romantiker"

Dieses Gefühl bleibt, auch wenn der Leuchtturm auf dem Festland steht, wie jener in der holländischen Hafenstadt Harlingen. Gosse Beerda ersteigerte 1998 den städtischen Leuchtturm Vuurtoren van Harlingen zum Preis von rund 280.000 Gulden. ¸¸So viel kostete damals ein normales Einfamilienhaus."

Er ließ den Leuchtturm penibel restaurieren und schuf eine stilvoll eingerichtete, mehrstöckige Unterkunft für zwei Personen. ¸¸Unsere Gäste sind absolute Romantiker. Sie kommen aus ganz Europa, nur um in diesem Turm zu sein."

Im Leuchtfeuerhaus lässt sich diese Romantik auf die Spitze treiben. Zu zweit allein, wo früher das Licht seine Runden drehte, draußen nur die Nacht und das Meer. Und die Leuchttürme der westfriesischen Inseln, die sich zur Lichterkette formieren.

Gosse Beerda hat für diese Magie eine pragmatische Erklärung: ¸¸Im Grunde dreht sich alles darum, das Meer zu fühlen, hören, riechen und zu erleben - ohne den ganzen Ärger mit Wellen, Wind und Seekrankheit."

© Süddeutsche Zeitung vom 19. April 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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