Donauregion:Rock auf der Burg

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Nicht nur Kulturliebhabern hat der Strudengau, eine Region im Osten von Oberösterreich, viel zu bieten. Die abwechslungsreiche Landschaft lädt zu Erkundungstouren ein.

Von Stephanie Schmidt

Wenn sich Georg Clam-Martinic an seine Kindheit erinnert, hat er gemischte Gefühle. "Im Winter war es oft recht kalt, trotz der Kachelöfen. Ich bin unten im Ort Klam zur Schule gegangen. Es war als Kind für mich komisch, immer als Adliger angeschaut zu werden." Er steht auf der weitläufigen Aussichtsterrasse von Burg Clam im Strudengau, einer Kulturlandschaft im östlichsten Teil Oberösterreichs, und blickt hinaus in die Landschaft mit ihren sanften Hügeln. "Schön still hier, nicht?" Er erzählt, dass sich seine Vorfahren, die Grafen Clam-Martinic, 1454 hier niederließen. Clam ist ein großer schlanker Mann in Jeans und Jeansjacke, der nicht mit "Graf" angesprochen werden möchte, ihm genügt "Georg Clam". Die ersten 18 Jahre seines Lebens hat der 61-Jährige auf der Burg verbracht; zurzeit wohnt er auf einem Bauernhof in der Nähe, "mit drei Hühnern und zwei Hunden". Er arbeitet als Kulturvermittler und Reiseleiter.

Manchmal fährt Clam zur Burg, um im Familienarchiv zu stöbern, das bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Oder er zeigt Gästen Teile der Anlage mit ihrem 41 Meter hohen Wehrturm, 101 Zimmern und dem Burgmuseum. Auch der Burgherr, der sein Neffe ist - Graf Carl Philip Clam-Martinic -, empfängt hier Besuchergruppen. "In England gibt's das mit den Grafen, die Führungen selbst leiten, eher als bei uns", sagt Georg Clam lächelnd. Die ältesten Bauten der Burg stammen aus dem 12. Jahrhundert. Das Gebälk ächzt, und Türen knarzen, während er die Burg durchschreitet. Mancherorts scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Muffiger Geruch dringt aus einem Raum, der in den Sechzigerjahren als Gästezimmer diente und seither unverändert blieb. "In diesem Zimmer hat damals Gina Lollobrigida übernachtet."

Wem zeigen der Burgherr oder sein Onkel den Renaissance-Innenhof mit dreistöckigen Arkadengängen, die Burgapotheke von 1603, die gotische Burgkapelle oder das Porzellankabinett mit Preziosen aus Meißen? Burg Clam liegt nur wenige Kilometer vom Donauradweg entfernt, und es gibt zunehmend Menschen, die Radfahren mit Wandern oder mit Kultur kombinieren. Sie machen Abstecher ins Hinterland, um den Osten Oberösterreichs mit seinen Burgen und Schluchten zu erkunden.

Wer in einem der renovierten, mit Antiquitäten ausgestatteten Gästezimmer von Burg Clam übernachtet, erreicht am nächsten Morgen nach einstündiger Fahrt mit dem Fahrrad die schilfgedeckten Häuser des Keltendorfs Mitterkirchen. Dort wurden mehr als 80 Gräber mit Schmuck, Keramik, Waffen, Werkzeug und prächtig verzierten Pferdewagen gefunden; die Ausgrabungen dauerten von 1981 bis 1990. "Diese Schätze stammen vorwiegend aus der Zeit der Hallstattkultur, also der Zeit zwischen 800 und 450 vor Christus. Die meisten von ihnen kann man im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz besichtigen", erklärt Karin Hinterleitner, Lehrerin für Ernährungswirtschaft, die im Keltendorf Töpfer- und Brotbackworkhops leitet. "Unsere Siedlung haben wir der hallstättischen Zeit so authentisch wie möglich nachempfunden." Mitterkirchen ist ein Erlebnisdorf für alle Altersgruppen, die dort das keltische Alltagsleben kennenlernen.

Dessen Umgebung ist flach, aber das heißt nichts. In dieser Region verändert die Landschaft häufig ihr Gesicht. Rund um das Donaustädtchen Grein ist sie reich an Wäldern und Hügeln: Eine beliebte Familienwanderung in der Gegend führt durch die Stillensteinklamm, vorbei an Granitfelsformationen zur Jausenstation Gießenbachmühle. Wanderer passieren auf dem Weg die "Steinerne Stube", deren Dach ein mächtiger Felsblock bildet. "Diesen Weg bin ich schon als Ministrant gegangen", erzählt Karl Hohensinner, 51, der oberösterreichische Ortsnamen erforscht. "Erst um 1900 herum wurde die Klamm für Wanderer erschlossen." Wer mit ihm unterwegs ist, kann ihn auch zu den Sagen des Strudengaus befragen, denn regionstypische Erzähltraditionen sind ein Spezialgebiet des Kulturwissenschaftlers. Zum Beispiel während einer Brotzeit an der Gießenbachmühle, wo lokale Spezialitäten wie Schafskäse mit Kürbiskernen oder die "Dürre Klammwurze" - eine zwei Finger dicke, würzig schmeckende Wurst, auf den Tisch kommen.

Die Jausenstation liegt in der Nähe des Donauufers. "Genau hier waren die lebensgefährlichen Wasserstrudel. Daher rührt der Name Strudengau", sagt der Sprachforscher und deutet zum Fluss hin. Friedlich fließt das Wasser dahin, und man kann es sich kaum vorstellen, dass es vor dem Bau des Wasserkraftwerks Ybbs-Persenbeug hochriskant für die Schiffer war, auf der Donau unterwegs zu sein. Das Kraftwerk entstand Mitte des 20. Jahrhunderts. Davor waren zwischen Grein und St. Nikola spezielle Lotsen im Einsatz, die Nauführer.

Im Schifffahrtsmuseum auf Schloss Greinburg erfährt man mehr über die Geschichte der Donau als Verkehrsweg. Aber das Ende des 15. Jahrhunderts erbaute Schloss hat noch viel mehr zu bieten, etwa ausgefallene Räume wie das spätgotische Diamantgewölbe, dessen pyramidenartige Deckenstruktur für besondere Licht- und Schattenspiele sorgt. Oder die "Sala Terrena". Wände und Decken überzieht ein Mosaik aus Donaukieseln. Es erzeugt die Illusion, in einem Garten zu sitzen. Eines der ältesten, im Originalzustand erhaltenen Bürgertheater des deutschsprachigen Raums steht am Stadtplatz von Grein. Es stammt von 1791 und wird noch heute bespielt.

Kulturliebhaber bevorzugen oft eine bestimmte Sparte. Die einen Theater, die anderen klassische Musik. Georg Clam liebt Rock und Pop: "Vor 28 Jahren habe ich auf unserer Burg das internationale Musikfestival gegründet. Im Juni und Juli kommen bis zu 90 000 Besucher." Dieses Jahr werden auch Nick Cave oder Jack Johnson auf der Bühne stehen. Clam fiebert schon jetzt dem Jahr 2019 entgegen, "da feiern wir 50 Jahre Woodstock. Mein Wunsch ist es, dass nächstes Jahr die Idole meiner Jugend bei unserem Festival auftreten". Er denkt dabei zum Beispiel an seine Freunde Joan Baez und Carlos Santana. Ja, er schätzt die Stille auf der Burg. Aber gewiss nicht während des Konzertsommers. Da wird gerockt.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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