Datenbrille beim Skifahren:Aufs Auge

Lesezeit: 3 min

Im Salzburger Land kann man jetzt die dritte Generation von Datenskibrillen testen. Sie dokumentieren den Fahrstil - und beeinflussen ihn.

Von Ralf Tögel

Eintausendundeine Kilokalorie. Was für eine Zahl. Exakt so viel Energie habe ich heute also verbrannt. Sagt zumindest meine Skibrille. Einmal Buckelpiste: 64 Kilokalorien. Einmal den Jedermann-Riesenslalom am Tauernkar: 58 Kilokalorien. Oder gleich die Gamskogel-Weltcupabfahrt: satte 92 Fettmacher vernichtet. Im Skigebietsverbund Ski Amadé kann man das an Ort und Stelle überprüfen - sofern man den richtigen Durchblick hat. Denn dort gibt es die Datenskibrille in der dritten Generation, erweitert um ein paar brandneue Gimmicks wie eine Live-Pistennavigation. 19 Euro kostet der digitale Helfer auf der Nase zur Miete. Angeboten werden die "Smart Ski Goggles" unter anderem in Zauchensee-Altenmarkt.

Dass sich die digitale Welt zusehends auf den Skipisten breitmacht, ist nicht aufzuhalten. Sich den Weg aber von seiner Skibrille weisen zu lassen, ist dann doch etwas speziell. Ein Mini-Computer im rechten unteren Brillen-Sichtfeld mit integriertem Wlan und GPS soll dank kostenloser Access-Points im Tal und auf den Bergstationen den ununterbrochenen Datenfluss garantieren, der sich in der Praxis dann bisweilen doch als lückenhaft erweist. Gesteuert wird das Ganze mit einer kleinen Fernbedienung, die man sich wie eine Uhr um das Handgelenk schnallt, was wegen der dicken Skihandschuhe manchmal nervt - vor allem die wartenden Mitfahrer.

Zum Lohn kann man dann den ganzen Skitag chronologisch aufzeichnen, inklusive aller Bestleistungen wie Höchstgeschwindigkeit oder zurückgelegter Pistenkilometer, die unter "personal records", optisch unterlegt mit güldenem Sieger-Lorbeer, abrufbar sind. Oder eben ablesen, wie viele Kalorien verbrannt werden, wofür die Sportuniversität Salzburg einen Logarithmus errechnet hat, der Parameter wie gefahrene Strecke, Fahrtdauer oder Geschwindigkeit berücksichtigt. Indem der Nutzer über eine App mit den sozialen Netzwerken verbunden ist, kann die ganze Welt sofort an den zurückgelegten Höhen- und Pistenmetern teilhaben. Sogar das Wetter lässt sich jederzeit überprüfen. Wem also entgangen ist, dass es angefangen hat zu schneien, der kann ja in seiner Skibrille nachsehen. Zudem informiert die Brille über interessante Orte wie besonders schöne Aussichtpunkte, gibt Infos über Lifte, Pisten oder Hütten. Man muss dann nur noch dem grünen Pfeil und den Anweisungen folgen.

"In 300 Metern halten Sie sich links, dann biegen sie rechts ab, Sie haben ihr Ziel erreicht." Immerhin spricht das Ding nicht wie ein Navigationssystem im Auto, oder zumindest noch nicht? Netterweise hat die freundliche Dame beim Ausleihen angemerkt, dass die Brille auf dem Weg zur angepeilten Einkehr die Luftlinie anzeigt, wohl um zu verhindern, dass sich allzu datengläubige Skifahrer auf ihrem Weg zum Kaiserschmarrn irgendwelche Schluchten hinabstürzen. Angesichts von regem Pistenverkehr ist es sowieso ratsam, nicht zu intensiv auf das kleine Display rechts unten im Brillensichtfeld zu blicken. Die angebotenen Karten sind recht klein, es gibt aber die Möglichkeit zum Zoomen.

Ab 60 Stundenkilometern färbt sich die Anzeige rot. Das ist spannend, lenkt aber auch ab

Besonders nett ist freilich die Geschwindigkeitsanzeige, die sich bei Fahrtaufnahme automatisch einblendet. Das macht Spaß: Der digitale Tachometer färbt sich ab 60 Stundenkilometern rot. Es ist aber nicht einmal rennerfahrenen Skifahrern anzuraten, sich allzu lange an der eigenen Geschwindigkeit zu ergötzen, um nicht im roten Bereich in die nächstbeste Skifahrergruppe zu krachen. Immerhin: Um das Blickfeld möglichst nicht zu behindern, sitzt die Anzeige recht tief, man muss den Blick gezielt senken. Man kann die Anzeige auch so einstellen, dass sie sich ab einer bestimmten Geschwindigkeit ausblendet. Der Anbieter will die Daten der Brille ohnehin als Zusatzangebot verstanden wissen, ein Kann, kein Muss. Doch wer braucht eine Datenbrille ohne Daten? Immerhin ist das Modell Smith IO Recon schick verspiegelt und sieht sehr cool aus. Trotzdem ist das Ganze wohl eher etwas für Technik-freaks, Menschen, die in der Gondel ihr Smartphone aus dem Anorak nesteln, anstatt sich von unnützem Zeug wie dem herrlichen Zauchensee-Panorama mit den mächtigen Gipfeln von Schwarzkopf, Permuthwand und Steinkopfspitze oder gar dem fantastischen Blick auf die Glocknergruppe ablenken zu lassen.

Der frühere Ski-Profi Michael Walchhofer zählt jedenfalls nicht dazu. Er ist in Zauchensee groß geworden und kann, so sagt er, den gesamten Berg vom Gamskogel bis ins Tal mit 22 Schwüngen meistern. Die Datenbrille? Ja, davon hat er natürlich gehört, aber er kennt auch so jeden Pistenmeter. Mittlerweile betreibt Walchhofer ein Hotel direkt an der Talstation, er hat dreimal den Abfahrts-Weltcup gewonnen, war Weltmeister und ist mit dem Kitzbühel-Sieg in Österreichs Klub der Unsterblichen aufgestiegen. Ein Streifsieger braucht keine Hilfsmittel auf der Piste. Und wie viele Kalorien er dabei verbrennt, ist ihm "sowieso wuascht".

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: