Bahn lockt Fluggäste:"Die Billigflieger-Klientel ansprechen"

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Bahn-Sprecher Meyer über die neuen Tiefpreis-Angebote, Abwerbe-Strategien und überfüllte Züge. Und er erklärt, warum die Bahn am Service spart.

Tanja Rest

Mit günstigen Tickets will die Bahn den Billigfliegern Konkurrenz machen. Vom 10. Juni an stehen bis Jahresende monatlich 750.000 Sparfahrkarten zur Verfügung: Eine Fahrt kostet zwischen 29 und 69 Euro. Über die Preispolitik der Bahn, gerade auch in Zeiten eines gestiegenen Klima- und Umweltbewusstseins, sprach die SZ mit Gunnar Meyer, Sprecher für den Bereich Personenverkehr.

Wann kommt man mit der Bahn billiger ans Ziel? Und wann mit dem Flugzeug? Vier Strecken im Direktvergleich. (Foto: Graphik: SZ/Burgarth)

SZ: Herr Meyer, das Angebot klingt verlockend, allerdings sind auch ein paar Haken eingebaut: Beispielsweise wird der größte Teil des Billigkontingents für wenig nachgefragte Züge angeboten.

Meyer: Ja, aber dafür gibt es einen guten Grund.

SZ: Für die Bahn, nicht aber für den Kunden.

Meyer: Für den auch. Freitag- oder Sonntagnachmittage sind Zeiten großer Nachfrage. Das würde zu Lasten des Komforts gehen, wenn die Züge noch voller werden. Darum sparen wir diese Zeitfenster aus. Es geht auch darum, eine bessere Auslastung aller Züge zu erreichen.

SZ: Auch am Service sparen Sie. Wer das Billigticket nicht online oder am Automaten kauft, sondern am Schalter, zahlt fünf Euro drauf.

Meyer: Das ist nichts Neues. Bei unseren Aktionspreisen läuft das seit Jahren so, wir nutzen da bewusst kostengünstige Vertriebskanäle. Der Kunde akzeptiert das bereits.

SZ: Der Kunde muss außerdem akzeptieren, dass das 29-Euro-Ticket möglicherweise längst vergriffen ist, wenn er sich mit der Buchung nicht beeilt.

Meyer: Das ist doch eigentlich was sehr Gutes, da es für die starke Nachfrage spricht. Immerhin werden wir jeden Monat 750.000 Tickets anbieten, das ist sehr viel. Wenn diese Tickets schnell nachgefragt werden, zeigt es doch, dass dieses Angebot funktioniert.

SZ: Trotzdem machen viele Bahnfahrer, angelockt von den beworbenen Spartarifen, immer wieder die Erfahrung: Ich selbst krieg' den Supersparpreis nie.

Meyer: Aber viele andere kriegen ihn. Wir wollen ja auch gerade die Leute ansprechen, die noch gar nicht Bahn fahren. Bei all unseren Aktionspreisen gab es eine Neukundenquote von etwa zehn Prozent. Auch darum machen wir das jetzt dauerhaft. Dass das Kontingent begrenzt ist, sagen wir ebenfalls.

SZ: Einerseits bietet die Bahn Billigtickets an, andererseits ist die Normalfahrkarte zum Jahresanfang wieder teurer geworden. Warum machen Sie Bahnfahren nicht einfach insgesamt günstiger?

Meyer: Die Preismaßnahmen haben mit den neuen Angeboten und der Kostenentwicklung zu tun. Und da kann man nur sagen: Autofahren ist im Jahresvergleich um zwölf Prozent teurer geworden, bei der Bahnfahrt waren es weniger als drei Prozent. Da haben wir weniger an den Kunden weitergegeben, als wir selbst von den steigenden Energiepreisen betroffen waren.

SZ: Ein Billigflug von Stuttgart nach Hamburg dauert 75 Minuten und kostet 47 Euro. Die Zugfahrt ohne Bahncard: 5:30 Stunden für 117 Euro. Ist die Bahn wirklich konkurrenzfähig?

Meyer: Dieser Vergleich funktioniert nicht. Wenn Sie den teuersten Bahnpreis überhaupt nehmen, dann müssen Sie diesen mit dem teuersten Flug vergleichen. Der Normaltarif - kein Sparpreis, keine Bahncard - wird zudem im Fernverkehr nur zu rund 18 Prozent genutzt.

SZ: Das ist aber das Ergebnis, wenn man vor der Frage steht: Fliegen oder Bahnfahren, und sich nach Preisen erkundigt. Und gerade bei Neukunden können Sie nicht damit rechnen, dass sie die Bahncard gleich dazukaufen.

Meyer: Das stimmt, aber genau darum haben wir ja den Aktionspreis eingeführt. Und hinzu kommt bei der Flugzeit auch noch die Fahrt zum Flughafen und am Zielort wieder in die Stadt sowie bei Inlandsflügen Warte- und Boardingzeit. Da gibt es keinen großen Zeitunterschied mehr. Die Gesamtflugreise ist außerdem mit permanenten Unterbrechungen verbunden, während das bei der Bahn alles wegfällt. Der Kunde steigt in den Zug und kann seine Zeit sofort nutzen.

SZ: Warum sitzen so viele potenzielle Bahnfahrer dann immer noch in den Billigfliegern?

Meyer: Ganz so ist es nicht, da wir seit vier Jahren Zuwächse bei den Fahrgastzahlen haben. Es sind also nicht die Bahnfahrer, die plötzlich im Billigflieger sitzen. Andererseits gibt es eine feste Gruppe von Leuten, die den Billigflieger seit jeher nehmen, weil sie in erster Linie preissensibel sind. Und diese Klientel möchten wir ansprechen.

SZ: Die Bahn hat in der Klimadebatte gerade alle Argumente auf ihrer Seite. Warum schalten Sie nicht bundesweit TV-Spots, die genau darauf hinweisen?

Meyer: Wir haben unter anderem gerade Anzeigen am Markt, in denen CO2-Emissionen von Auto, Flugzeug und Bahn verglichen werden.

SZ: Dennoch hat man das Gefühl, dass die Bahn dieses Thema nicht optimal für sich nutzt. Auf Ihrer Homepage muss man lange klicken, bis man irgendwann auf das Stichwort Klimaschutz stößt.

Meyer: Zu jeder Zugverbindung bekommen Sie im Internet den "Umweltmobil-Check" dazu. Und viele Informationen zum Thema Umwelt findet Sie unter dem Punkt "Konzern".

© SZ vom 6.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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