Zunahme der Todesstrafe:Henker gesucht

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Menschenrechtler registrieren seit einiger Zeit mit Sorge, dass in der gesamten arabischen Welt die Todesstrafe wieder öfter verhängt - und auch vollstreckt wird. Besonders rabiat sind Saudi-Arabien und Iran.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es ist eine Stellenanzeige, die einen erschaudern lässt. Gesucht werden acht Henker, um Todesurteile und andere Körperstrafen wie Amputationen zu vollstrecken. Die Ausschreibung stammt vom Ministerium für öffentliche Verwaltung in Saudi-Arabien. Von den Bewerbern werden keinen besonderen Kenntnisse verlangt oder gar universitäre Qualifikationen - nur die "Ausführung der Todesstrafe gemäß der Islamischen Schariah" nach einem entsprechenden Gerichtsurteil verlangt die Aufgabenbeschreibung. Über die Entlohnung für den Henkersdienst sagt die Ausschreibung nichts, nur dass die Bewerber als "religiöse Funktionäre" eingestuft würden.

Todesurteile werden in dem nach den Grundsätzen der ultrakonservativen wahhabitischen Lesart des Islam regierten Königreich durch Enthauptung auf öffentlichen Plätzen vollstreckt. In diesem Jahr sind nach offizieller Zählung 85 Menschen hingerichtet worden, 2014 waren es im ganzen Jahr nur wenig mehr. Die Gründe für den Anstieg sind nicht klar - möglicherweise wird ein Stau an Verfahren abgearbeitet. Gut die Hälfte der Verdikte in diesem Jahr erging wegen Drogendelikten, in den meisten anderen Fällen geht es um Mord - das Vergeltungsprinzip im islamischen Recht überlässt es den Familien der Opfer, ob sie dem Täter Gnade erweisen oder auf der Hinrichtung bestehen. Wenn einer der Nachkommen sie ablehnt, wird der Delinquent verschont.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren indes nicht nur die Todes- und Körperstrafen, etwa Stockschläge für "Beleidigung der Religion", wie sie dem Blogger Raif Badawi angelastet wird, oder Amputationen für schweren Diebstahl, von denen 2014 allerdings offenbar nur eine ausgeführt wurde. Sie bemängeln auch die undurchsichtigen Verfahren und die Tatsache, dass es für viele Delikte kein kodifiziertes Strafrecht gibt, sondern nur die Interpretation islamischer Rechtsgrundsätze - was zu sehr unterschiedlichen Urteilen für vergleichbare Delikte führt.

Die Schwerter schwingenden Exekutoren bringen Saudi-Arabien Vergleiche mit der Terror-Miliz Islamischer Staat ein, die ihre Opfer ebenfalls oft enthauptet, verbrämt mit religiösen Begründungen. Diese Hinrichtungsmethode mutet besonders archaisch an, doch fügen die Giftspritze und der elektrische Stuhl den Todeskandidaten oft noch größeres Leid zu. Eine Reihe verpfuschter Hinrichtungen in den USA ist furchtbarer Beleg dafür.

Spitzenstellung bei den Hinrichtungen in der Region nimmt, Stand 2014, aber immer noch mit weitem Abstand die Islamische Republik Iran ein. 289 offiziell bestätigte Vollstreckungen in Iran hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International dokumentiert. Sie geht auf "Grundlage verlässlicher Quellen" davon aus, dass es tatsächlich mindestens 454 weitere Exekutionen gab, die von den Staatsorganen nicht offiziell bekanntgegeben wurden.

Laut islamischem Rechtsprinzip ist der Grundsatz der Vergeltung wichtiger Pfeiler der Strafjustiz

Auch in Iran sind Drogendelikte der häufigste Grund für Todesurteile. Etliche wurden 2014 öffentlich vollstreckt, meist durch den Strang. Immer wieder dringen Bilder von Menschen an die Öffentlichkeit, die an Autokranen aufgeknüpft werden. International Empörung löste ein Steinigungsurteil aus, das 2006 wegen Ehebruchs verhängt wurde. Die Verurteilte, Sakineh Mohammadi Ashtiani, konnte 2014 letztlich das Gefängnis verlassen. Auch in Iran sind islamische Rechtsprinzipien und der Grundsatz der Vergeltung wichtige Pfeiler der Strafjustiz.

Menschenrechtler registrieren seit einiger Zeit mit großer Sorge, dass in der gesamten arabischen Welt die Todesstrafe wieder deutlich öfter verhängt - und auch vollstreckt wird. Jordanien beendete im Dezember ein achtjähriges Moratorium und exekutierte elf Männer, auch Ägypten vollstreckte 2014 nach einer Pause wieder mindestens 15 Mal die Todesstrafe. In diesem Jahr wurden zwölf Menschen exekutiert, zuletzt am Sonntag sechs Männer, die in einem zweifelhaften Verfahren wegen Mordes an sieben Soldaten verurteilt worden waren. Sie sollen laut dem Richterspruch der Terrororganisation Ansar Beit el-Maqdis angehört haben.

Auch die Vereinigten Arabischen Emirate vollstreckten im vergangenen Jahr laut Amnesty International ein Todesurteil, in Jemen waren es mindestens 22, in Irak 38 . Für Syrien lagen keine gesicherten Zahlen vor, sie dürften aber horrend sein.

Daneben verhängten auch Algerien, Bahrain, Kuwait, Libanon, Libyen und Marokko im vergangenen Jahr die Todesstrafe, ebenso Katar und Tunesien, wie Amnesty International in seinem Jahresbericht schreibt.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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