Zum 70. Geburtstag von Gernot Sittner:Der Meister der Seite Drei

Lesezeit: 1 min

Von den stillen Helfern in den Redaktionen ist selten die Rede. Einer von denen, die immer Spaß daran hatten, anderen Autoren zu Ruhm zu verhelfen, ist Gernot Sittner. Heute wird der ehemalige SZ-Chefredakteur 70.

Hans Werner Kilz

Zeitungsjournalisten sind eitle Gesellen. Das mag damit zusammenhängen, dass so ziemlich alles, was sie täglich schreiben, veröffentlicht wird und über oder unter dem Artikel auch noch der eigene Name steht.

Mister SZ: Gernot Sittner (Archivbild) (Foto: Foto: Eberhard Wolf)

Von den stillen Helfern in den Redaktionen, die Themen entdecken, sie in Auftrag geben, die Geschichten der Autoren redigieren und druckreif machen, ist selten die Rede.

Einer von denen, die immer Spaß daran hatten, fremde Texte zu bearbeiten und anderen Autoren zu Ruhm und Preisen zu verhelfen, ist Gernot Sittner. Er redigierte 17 Jahre lang meisterlich die Seite Drei der Süddeutschen Zeitung, die unter seiner journalistischen Führung stilprägend für Reportagen im deutschen Tageszeitungs-Journalismus wurde. Der Erfolg, hat er hinterher gesagt, hänge von der Leistung des Teams ab, von der ganzen Redaktion.

Autoren fühlten sich gut aufgehoben bei Sittner, weil er mit ihren Texten einfühlsam umging, penibel nach inhaltlichen und sprachlichen Schnitzern suchte, dabei die Eigenwilligkeiten der Reporter stoisch ertrug, ohne sich ihnen auszuliefern.

Mehrfach preisgekrönte Reporter, die eine Geschichte ablieferten und begierig auf ein Lob warteten, wurden so beschieden, wie es Sittners Art war, knapp und treffend: "A guade Gschicht."

Gernot Sittner besitzt die unter Journalisten seltene Gabe, weder sich selber noch alles drumherum zu wichtig nehmen. Selbst mit seinem hintergründigen Humor geht der stille Oberpfälzer haushälterisch um. Er macht wenige Bemerkungen, aber wenn er welche macht, sitzt die Pointe.

In Sulzbach-Rosenberg aufgewachsen, studierte Sittner in München Germanistik, Anglistik, Philosophie und Geschichte, machte das Lehrer-Staatsexamen und promovierte mit einer Arbeit über die Reaktion der deutschen Literatur auf den Krieg 1870/71.

Sittner kam 1964 zur Süddeutschen Zeitung, schrieb zunächst im Lokalteil über Schulreformen und Tunnelprojekte, ehe er später als Ressortleiter die Seite Drei und die SZ am Wochenende übernahm. 1989 beriefen ihn die Gesellschafter des Süddeutschen Verlags in die Chefredaktion. Vor zwei Jahren hat er aus Altersgründen aufgehört.

"Gernot Sittner", schrieb die Wochenzeitung Die Zeit zu seinem Abschied, "ist so etwas wie der Mister SZ." Zur Zeitung gehört Gernot Sittner, dessen Leidenschaft das Bergsteigen ist, immer noch. Er leitet das Verkehrsparlament und das SZ-Gesundheitsforum.

Eine Bilanz seines journalistischen Wirkens hat er vor Monaten in Buchform vorgelegt: "Die Seite Drei - Reportagen aus fünf Jahrzehnten", herausgegeben von Gernot Sittner. Heute wird er 70.

© SZ vom 27.06.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: