Zug-Attentat:Neue Kritik an Schengen-Abkommen

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Nach dem vereitelten Zug-Attentat fordert Belgiens Premier eine Debatte über die offenen Grenzen in Europa. Über den mutmaßlichen Täter kommen immer mehr Details ans Licht.

Nur durch Zufall ist in einem französischen Schnellzug vom Typ Thalys ein Attentat verhindert worden, das nach den Worten von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve ein "furchtbares Drama" ergeben hätte. Seither diskutieren Politiker in Frankreich und in Belgien, auf dessen Gebiet der Vorfall sich ereignete, über mögliche Verfehlungen und Schwächen der Sicherheitsbehörden.

Belgiens Premier Charles Michel bezeichnete die "terroristische Attacke" von Freitagabend als eine "Konsequenz" der "Öffnung der Grenzen auf dem europäischen Kontinent". Er plädierte für eine "Veränderung" der Schengen-Regeln. Auch sprach sich Michel für einen stärkeren Informationsaustausch zwischen nationalen Polizeibehörden aus. Besonders in Bezug auf Reisende gebe es nicht genug Kommunikation zwischen den Behörden. Er schlug ein Dringlichkeitstreffen der Regierungen Belgiens, Frankreichs, Deutschlands und der Niederlande vor.

Die Parteivorsitzende des französischen Front National, Marine Le Pen, kritisierte die "Schwäche" des französischen Inlandsgeheimdienstes DGSI. Dieser hatte den mutmaßlichen Täter der Thalys-Attacke, einen 25 Jahre alten Marokkaner, bereits einmal im Visier gehabt und 2014 eine "Fiche S" angelegt, einen Vermerk, der eine potenzielle Gefährdung der Staatssicherheit anzeigt. Laut Innenminister Cazeneuve hatte es im Februar 2014 einen Tipp von spanischen Ermittlern gegeben; damals lebte der Marokkaner noch im spanischen Algeciras. Zuletzt soll er den spanischen Ermittlern zufolge in Belgien gelebt haben. Am 10. Mai soll er deutschen Sicherheitskreisen zufolge am Flughafen Berlin-Tegel zu einem Flug nach Istanbul eingecheckt haben, möglicherweise um sich in Syrien an Aktionen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu beteiligen. Festgesetzt wurde er den Angaben zufolge aber nie.

Es fehlte nicht viel, und der Zug-Attentäter hätte am Freitagabend mit einem Sturmgewehr und neun Magazinen Munition bewaffnet von Waggon zu Waggon ziehen können. Offenbar nur weil sein Gewehr Ladehemmungen hatte, konnten Fahrgäste ihn überwältigen. Bei einer ersten Vernehmung durch französische Anti-Terror-Ermittler am Wochenende bestritt er indes islamistische Motive. Er habe die Passagiere nur ausrauben wollen.

Ein Vertrauter von Premierminister Manuel Valls, Senator Luc Carvounas, forderte die Einrichtung einer Parlamentskommission für "wirkliche Sicherheitsmaßnahmen" bei der Bahn. Am Montagmorgen will Präsident François Hollande sich dazu mit dem Innenminister beraten. In Thalys-Zügen patrouillieren vorerst Polizisten.

Frankreich war in den vergangenen Monaten wiederholt Ziel von Anschlägen. Im Januar schockierten die blutigen Attacken auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt das Land. Auf Bahnhöfen patrouillieren seither Soldaten im Rahmen der Aktion Sentinelle; diese insgesamt 7000 Mann verteilen sich aber auf 3000 Bahnhöfe sowie auf touristische Ziele und religiöse Orte im gesamten Land.

© SZ vom 24.08.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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