Zu viel Arbeit:Apotheker, nein danke

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Konkurrenzkampf und hohe Belastung: Ausgerechnet die geachtete und vor allem als gut situiert geltende Apothekerschaft leidet unter einem Nachwuchs-Problem.

Von Guido Bohsem

Auf Baltrum kann man weiter Aspirin und andere Pillen kriegen. Kurz vor Neujahr kam die gute Nachricht: Die einzige Apotheke der Nordseeinsel wird doch nicht schließen. Lange Zeit sah das anders aus. Über Monate hatte die Gemeinde vergeblich nach einem Nachfolger für den alten Apotheker gesucht, der sich zur Ruhe setzen wollte. Doch es war keiner bereit, einen Betrieb zu übernehmen, der im Sommer zehntausend Feriengäste mit Medikamenten versorgen kann, den Rest des Jahres aber nur 600 Kunden hat. In etwa so viele Einwohner leben nämlich auf der kleinsten der ostfriesischen Inseln.

Baltrum ist ein extremer Fall, doch keineswegs untypisch. Ausgerechnet die hoch geachtete und vor allem als gut situiert geltende Apothekerschaft leidet unter einem Nachwuchsproblem. Seit 2011 schon geht die Zahl der Apotheken zurück. Nach bislang unveröffentlichten Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände (ABDA) hielt der Trend auch 2015 unverändert an. Die Zahl der Einzelapotheken in Deutschland sank demnach um 301 auf 15 968.

Klar, auch der Konkurrenzkampf mit den Internet-Apotheken spielt eine Rolle. Für ABDA-Chef Friedemann Schmidt ist aber die Nachfolge-Frage ein entscheidender Grund. Zwar sei die Zahl der Pharmazie-Studenten gestiegen und auch die Zahl der Ausbildungsplätze. "Doch wollen sie häufig nicht mehr als Einzelkämpfer eine Apotheke führen." Eine große Rolle spiele dabei auch, dass der Anteil der Frauen unter den potenziellen Apothekern beständig wachse. Und gerade diese legten deutlich höheren Wert auf eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie, "als man dies in einer Einzelapotheke haben könnte, wo 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit in der Woche die Regel sind", sagt Schmidt. Statt sich als Freiberufler niederzulassen, suchen immer mehr Absolventen eine Karriere in der Industrie.

Die weiteren Aussichten sind ebenfalls nicht rosig, denn die Apotheker leiden unter einem weiteren Problem. Sie sind mit ihrem Geschäftsmodell sehr eng an die Ärzteschaft gebunden; schließlich machen die Pharmazeuten in der Regel etwa vier Fünftel ihres Umsatzes mit Medikamenten, die von den Doktoren verschrieben werden. Das heißt aber auch, ohne zumindest einen Hausarzt gleich in der Nähe zu haben, funktioniert eine Apotheke nicht. Dass es auf dem Land immer weniger Hausärzte gibt, wird sich also auch auf die Landapotheke auswirken.

Schmidt sieht die größten wirtschaftlichen Herausforderungen für die Apotheken allerdings an anderer Stelle. Da die Kundschaft eine höhere Diskretion wünsche als früher, würden in modernen Apotheken viele Bedienplätze voneinander getrennt. "Doch traditionelle Offizine haben häufig nicht die Möglichkeit und den Platz, solche Lösungen anzubieten", so Schmidt. Kein Wunder also, dass sich mitunter auch für Traditionsgeschäfte kein Nachfolger finden lässt, wie etwa für die Einhorn-Apotheke in Heilbronn, die vor ein paar Jahren und nach etwas mehr als 400 Jahren schließen musste.

Ein Versorgungsproblem für die Bundesrepublik sieht Schmidt aber nicht. Die meisten Übergaben von Apotheken funktionierten noch. "Es gibt Einzelfälle in Regionen, wo sich die Wege für die Kunden verlängern."

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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