Zinskrise:Schwerer Schlag für Bausparer

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Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Deutschlands Bausparkassen dürfen Hunderttausende hoch verzinste, aber nicht ausgezahlte Verträge kündigen - auch gegen den Willen der Kunden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Hoffnung Hunderttausender Sparer, in Zeiten niedriger Zinsen wenigstens von den günstigen Konditionen älterer Bausparverträge profitieren zu können, hat sich zerschlagen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Kündigungen für rechtens erklärt, die von den Bausparkassen seit zwei Jahren ausgesprochen werden; nach Schätzungen handelt es sich dabei um mindestens 250 000 Verträge. Die Sparer haben danach keinen Anspruch, an ihren vergleichsweise gut verzinsten Verträgen aus früheren Zeiten festzuhalten.

Der Bankensenat des BGH schließt sich damit der Meinung der unteren Instanzen an. Bausparverträge, die seit mindestens zehn Jahren "zuteilungsreif" sind - so nennt man die Phase, in der das Darlehen abgerufen werden kann -, können von den Bausparkassen auch gegen den Willen der Kunden beendet werden. Dabei stützt sich der BGH auf eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch, die dem "Darlehensnehmer" nach zehn Jahren ein Kündigungsrecht gewährt - also demjenigen, der eine Kreditsumme ausbezahlt bekommen hat. Aus Sicht des BGH ist während der Ansparphase die Bausparkasse "Darlehensnehmer" - weil sie vom Kunden Geld bekomme, das sie später zurückzahlen müsse. "Jeder Darlehensnehmer soll die Möglichkeit haben, nach zehn Jahren zu kündigen", sagte der BGH-Senatsvorsitzende Jürgen Ellenberger bei der Urteilsverkündung. Die Vorschrift gelte nicht nur für Verbraucher.

Der Klägeranwalt Peter Wassermann hatte argumentiert, letztlich gehe es um die Frage, wer die Folgen der Niedrigzinsphase zu tragen habe. "Man versucht, das Risiko veränderter Marktverhältnisse auf die Kunden abzuwälzen", sagte er. An einem zuteilungsreifen Vertrag festzuhalten, sei legitim. Wüstenrot-Anwalt Reiner Hall hielt dem entgegen, dass es sich um eine außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Situation handle. "Die Nullzins-Phase, das ist kein Marktgeschehen. Das ist eine Entwicklung, die von der EZB vorangetrieben wird, um den Staaten billiges Geld zu verschaffen."

Verhandelt hat der BGH über die Klagen zweier Sparer, insgesamt sind mehr als hundert Verfahren anhängig. In einem Fall ging es um einen Vertrag mit der Bausparkasse Wüstenrot von 1978 mit rund 20 000 Euro Bausparsumme und drei Prozent Guthabenzins, Konditionen, die für Sparguthaben heute kaum zu bekommen sind. Der Vertrag ist seit gut 23 Jahren zuteilungsreif. Die Kunden haben ihr Darlehen gleichwohl nicht abgerufen, sondern weiter bespart. Mitte 2015 kündigte Wüstenrot.

Mit dem Urteil sind die zwölf privaten Institute und die acht öffentlich-rechtlichen Landesbausparkassen von den Lasten der anhaltend niedrigen Zinsen befreit, die das Geschäftsmodell Bausparvertrag in eine Schieflage gebracht haben. Es basierte ursprünglich auf der Idee, den Kunden zwar auf ihr Guthaben geringere Zinsen zu zahlen als am Markt erzielbar, ihnen dafür aber nach der Zuteilung günstige Darlehen zu gewähren. Die Rechnung ging allerdings in der Niedrigzinsphase nicht mehr auf, weil die Sparer am inzwischen lukrativen Guthabenzins festhalten, jedoch die teuer gewordenen Darlehen nicht mehr in Anspruch nehmen.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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