Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Silvaner und Silvester

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Von Lautmalereien bei Kater und Kracher und, warum deutscher Champagner Sekt heißt und was das alles mit Wald und Feld zu tun hat - Wolfgang Koydl erklärt die Begriffe zum Jahresende.

Es ist doch alle Jahre wieder derselbe Stress: Kaum ist Weihnachten überstanden, steht mit Silvester das nächste Fest vor der Türe, das angesichts der Unmengen an konsumierten Speisen und Getränke hohe Ansprüche an Magen und Leber stellt. Manchmal wünschte man sich, dass diese beiden Feiertage ein wenig entzerrt würden.

Kracher, Raketen und Böller: Wichtige Worte zu Silvester (Foto: Foto: ddp)

Früher war das tatsächlich der Fall. Denn dass wir das neue Jahr am 1. Januar beginnen, ist noch gar nicht so lange her. Erst 1582 wurde parallel zur Kalenderreform von Papst Gregor XIII. Neujahr auf dieses Datum festgeschrieben.

Bis dahin konnte das neue Jahr mal zu Ostern beginnen, mal zu Maria Verkündigung im März oder auch gleich am Weihnachtstag. In letzterem Fall konnte man wenigstens beide Feste in einem Rutsch abwickeln.

Der Januar als Jahresbeginn machte aber mehr Sinn: Benannt ist der Monat nach dem römischen Gott Janus, dem Schutzherren von Türen, Toren und Portalen. Er hat zwei Köpfe, weil er in zwei Richtungen, in die Vergangenheit und in die Zukunft, blickt.

Mit der Reform fiel der letzte Tag des alten Jahres nun auf den 31. Dezember - den Namenstag des heiligen Silvester. Bei ihm handelte es sich um Papst Silvester I., der von 314 bis 335 auf dem Stuhl Petri saß.

Er machte schon vor der Kalenderreform Geschichte, da er der erste Pontifex Maximus war, der ohne ein bis dahin obligatorisches Martyrium heiliggesprochen wurde. Man schrieb ihm - irrtümlich - zu, den römischen Kaiser Konstantin vom Aussatz geheilt und bei der Gelegenheit auch gleich getauft zu haben. Irgendwie musste man ja den Heiligenstatus rechtfertigen.

Die ersten Silvester müssen übrigens eine Art von scheuen Naturburschen gewesen sein. Denn der Name kommt vom lateinischen silva = Wald. Das Wort lebt in Ländernamen wie Pennsylvania oder Transsylvanien fort, und auch bei der Rebsorte des Silvaners stand es Pate.

Doch wer stößt schon mit Silvaner auf das neue Jahr an, wenn man Sektkorken knallen lassen kann. Sekt trinken die Deutschen übrigens erst seit dem Ersten Weltkrieg - und dies auch nicht ganz freiwillig.

Im Champagnerparagraphen des Friedensvertrages von Versailles wurde den besiegten Deutschen untersagt, ihre Schaumweine Champagner zu nennen. (Bei derselben Gelegenheit wurde aus dem Cognac in Deutschland der Weinbrand.)

Nur sprudelnde Weine aus der Champagne dürfen den edlen Namen tragen - obschon die Herkunft gar nicht nobel ist. Das lateinische campus war ganz schlicht ein offenes Feld, wo man auch beim Camping bodenständig ein Bier trinken könnte.

Sekt wiederum kommt vom lateinischen siccus = trocken, was Freunde süßer italienischer Astis oder russischer Schampanskojes überraschen dürfte. Ursprünglich bezeichnete man mit Sekt einen trockenen Sherry. Shakespeare lässt Henry IV. ausrufen: "Bring er mir Sekt, Bube - ist keine Tugend mehr auf Erden", und seine Majestät dachten dabei nicht an Schampus.

Woran der legendäre Berliner Schauspieler Ludwig Devrient dachte, als er dem Kellner in seiner Stammkneipe Lutter und Wegener am Gendarmenmarkt an einem Abend des Jahres 1825 dieses Zitat entgegen schleuderte, ist nicht verbürgt. Doch da der Mime allabendlich Champagner schlürfte, brachte ihm der Ober dieses Getränk - und keinen Sherry. Seitdem, so die Volkslegende, heißt Schaumwein im Deutschen Sekt.

Wenn man die Korken (lateinisch cortex = die Rinde) hat knallen lassen, wendet man sich dem Feuerwerk zu und zündet Böller, Kracher und Raketen. Die ersten Böller machten übrigens keine lauten Geräusche: ein pöler war im späten Mittelalter eine Schleudermaschine, mit der man Steine gegen eine Burgmauer schmetterte. Als mit der Erfindung des Schwarzpulvers Geschütze an die Stelle der Steinschleudern traten, wandelte sich der pöler zu einer kleinen Kanone, mit der unter anderem Salut geschossen wurde.

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Sehr viel einfacher ist die sprachliche Herkunft des Krachers. Das Verb krachen ist lautmalerisch, ebenso wie das Slam, Whop, Bäng in modernen Comics. Verwandt ist es übrigens mit krähen, mit dem der Mensch den Laut von - genau -Krähen nachahmte.

Eher verschlungene Wege nahm die Rakete. Das Wort ist ein Rückimport aus dem Italienischen, in das es aus dem Deutschen gelangt war.

Auf diesem Wege allerdings wandelte sich seine Bedeutung. Ein Rocken ist ein stabförmiges Gerät, an dem beim Spinnen die noch nicht versponnenen Fasern befestigt werden. Im Italienischen wurde daraus rocca, und weil Feuerwerkskörper ein wenig wie kleine Spinnrocken aussehen, nannte man sie rocchetta.

In dieser Gestalt kam das Wort im 16. Jahrhundert über die Alpen, wo man es recht brutal eindeutschte: von Rogettlzeug über Rogeten und Racketlein bis zu den heutigen Raketen.

Eingedeutscht scheint auch ein anscheinend so treudeutscher Wunsch wie der Gute Rutsch zu sein. Jahrelang war man davon ausgegangen, dass der Begriff aus dem Hebräischen über das Jiddische oder Rotwelsche in unsere Sprache gelangt sei.

Rosch ist der Kopf oder der Anfang, und Rosch ha-Schana der Beginn des Jahres. Mittlerweile freilich neigen einige Sprachforscher wieder der Theorie zu, dass der Rutsch ursprünglich tatsächlich nichts anderes war als eben dieses: ein flottes Hinübergleiten vom alten in das neue Jahr.

Dieses Jahr beginnt man leider häufig mit einem dicken Kater - ganz zu schweigen von einer Reihe allerbester Vorsätze, die spätestens am Dreikönigstag vergessen sind. Warum Kopfschmerzen, verschwollene Augen und ein trockener Mund als Folgen ausgelassenen Alkoholkonsums ausgerechnet nach einer männlichen Katze benannt sein sollen, ist bis heute nicht ganz geklärt.

Eine Denkschule führt den Begriff auf - wie man heute sagen würde - Teenager-Slang des frühen 19. Jahrhunderts zurück. Studenten, zumal aus dem Raum Leipzig, zogen Parallelen zwischen den Symptomen des Morgens danach und einer schweren Erkältung. Letztere war umgangssprachlich ein Katarrh, und im Sächsischen konnte dies schon leicht wie Kater klingen. Vor allem wenn man einen Kater hatte.

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