Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Rosige Zeiten für die Türkei

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Warum türkische Politiker in mancher Hinsicht bessergestellt sind als US-amerikanische und was Prinzessin Diana mit der Walachei verbindet - der etymologische Wochenrückblick.

Wolfgang Koydl

Früher einmal gab jeder Nachname Einzelheiten über seinen Träger preis: Ob Bäcker, Lange oder Bremer - man kannte Beruf, Körpergröße und Herkunft. Erst Job-Spezialisierung, Sprachwandlungen oder das Aussterben von Berufen schufen rätselhafte Familiennamen.

Mit dem neuen Präsidenten der Türkei, Abdullah Gül, versprechen sich viele Türken eine rosige Zukunft. (Foto: Foto: Reuters)

Wer weiß schon noch, dass die Vorfahren einer Familie Küppers Fässer zimmerten? Das Türkische hat diese ursprüngliche Unschuld bewahrt. Nachnamen gibt es erst seit gut 70 Jahren, als Staatsgründer Atatürk jeden Türken zwang, sich einen zuzulegen.

Nicht jeder durfte sich einen Wunschnamen aussuchen, sondern erhielt ihn von böswilligen Beamten zugeteilt.

Deshalb heißen viele Kurden ausgerechnet Türk, Öztürk oder Asiltürk - Türke, echter Türke, reiner Türke.

Auf wohlklingende Namen hört die derzeitige Riege Ankaraner Spitzenpolitiker: Abdullah Gül, der neue Staatspräsident, ist eine Rose, Premierminister Erdogan ein männlicher Habicht, und beider innenpolitischer Gegner, Generalstabschef Yasar Büyükanit wird übersetzt zum großen Ehrenmal.

Besonders hübsch ist die Kombination von Vor- und Nachnamen des Führers der erznationalistischen MHP-Partei, Devlet Bahceli: devlet ist der Staat, und bahceli nennt man jemanden, der einen Garten besitzt.

Hütte in der Nähe eines Gesträuchs

Mit soviel Fantasie können es US-Präsident George Bush und sein soeben zurückgetretener Justizminister Alberto Gonzales nicht aufnehmen: Beider Namen gehören zu den gewöhnlichsten im englischen bzw. spanischen Sprachraum.

Bush nannte man einst jeden, dessen Hütte in der Nähe eines Gesträuchs stand. Die texanische Autorin Molly Ivins betitelte die Biografie ihres Landsmannes denn auch despektierlich Shrub - der Strauch.

Und Gonzalez (der zweithäufigste spanische Nachname nach Garcia) war früher der Sohn von Gonzalo. Dieser Name freilich hat alles andere als feurige Latino-Wurzeln. Er stammt vom ziemlich unflott klingenden germanischen Namen Gundisalvus ab.

In der ostdeutschen Ortschaft Mügeln hat der Rassismus erneut sein ekliges Haupt gereckt. Da Hass auf Fremde wahrscheinlich so alt ist wie die Menschheit, überrascht es, wie neu der Begriff der Rasse ist.

Die heutige Bedeutung für eine klar abgegrenzte Volksgruppe oder einen Stamm ist erst seit dem Jahr 1774 verbürgt; das Wort razza taucht um das Jahr 1500 zum ersten Mal im Französischen auf - als Bezeichnung für eine Zuchtsorte bei Pflanzen oder Tieren. Doch woher das Wort ursprünglich kam, blieb bis heute ungeklärt. Das heißt nicht, dass Menschen nicht schon immer zwischen sich und Ausländern unterschieden.

Unverschämte Angelsachsen

Das bringt uns zu Diana, deren Todestages diese Woche gedacht wurde, beziehungsweise genauer genommen zu ihrem Titel einer Princess of Wales. Waelisc oder walh war ein teutonisches Wort für Ausländer, und die Angelsachsen hefteten es den keltisch sprechenden Ureinwohnern Britanniens an.

Reichlich unverschämt, denn schließlich waren sie es, die ins Land gekommen waren und es den Kelten abgenommen hatten. Fremde waren für sie auch die Cornish, die in Cornwall lebten - dem Cornish-Ausland.

Auf dem europäischen Kontinent verpassten die Germanen das Wort anderen Völkern - womit nicht nur die belgische Provinz Wallonien zu ihrem Namen kam, sondern auch Asterix' Gallier. Denn die Buchstaben w und g waren austauschbar, weshalb Wales auf französisch Pays des Galles heißt und die Waliser die letzten Gallier sind - les Gallois.

Fremdländisch kam vielen Deutschen bis ins 19. Jahrhundert alles vor, was südlich der Alpen lag. Dort lebten, wie man verächtlich sagte, die Welschen, und wenn sie redeten, war das unverständliches Kauderwelsch. Immerhin verdankte man ihnen eine Leckerei, ohne die ein deutsches Weihnachtsfest nicht vollständig wäre: die Walnuss, die mit dem Meeressäuger nichts gemein hat.

Und selbst nach Osteuropa wanderte der Begriff aus. Hier gab er der Walachei ihren Namen. Die kastrierten Hengste aus dieser Gegend hießen denn auch folgerichtig Wallach.

Verschieden benamt

Ist Wales ein Land, dessen Namen man überall in Europa findet, so trägt Griechenland, der Schauplatz verheerender Waldbrände, verschiedene Namen in verschiedenen Ländern. Die deutsche (englische, französische, etc.) Version geht auf den Stamm der Graikoi zurück, die Aristoteles als Ureinwohner der Provinz Epirus identifizierte. Araber und Türken hingegen berufen sich auf den in Kleinasien siedelnden Stamm der Ionier, wenn sie Griechenland Yunanistan nennen.

Die Griechen selbst hingegen bezeichnen sich als Hellenen. Mit dem Sonnengott Helios hat das leider freilich ebenso wenig zu tun wie mit der schönen Helena. Urvater war vielmehr ein gewisser Hellen, der Enkel jenes Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte. Dem Mythos nach begründeten er und seine Brüder je einen griechischen Volksstamm: Aeolus die Aeolier, Dorus die Dorer, Ionan die Ionier, Achaeus die Achäer, und er selbst die Hellenen.

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