WMP:Schmutzige Zeilen

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Ein Journalist steht im Verdacht, für die Beratungsfirma WMP EuroCom undercover gearbeitet zu haben. Der sehr freie Journalist ist die Hauptperson eines Medienkrimis. Mit schützender Hand dabei: WMP-Vorstand Hans-Hermann Tiedje, der auch Altkanzler Helmut Kohl beriet und noch früher auf dem Chefsessel bei Bild saß.

Von Hans Leyendecker

(SZ vom 5.12. 2003) - Ja, das wäre ein schönes Foto für den Enthüllungsjournalisten Andre Plath gewesen. Er hätte es gut verkaufen können.

Hans-Hermann Tiedje, WMP-Vorstand. (Foto: Foto: dpa)

Die Aufnahme, die Mitte der neunziger Jahre entstand, zeigt einen jungen Mann mit Jeansjacke in einem der vielen kleinen Läden in New York.

Er hat sich soeben ein großes Kondom gekauft und schaut mit dem überdimensionierten Präservativ auf dem Kopf etwas dämlich in die Kamera. Das Kondom erinnert an eine Pudelmütze.

Der Mann auf dem Bild ist Plath. Er steht im Mittelpunkt einer wilden Geschichte, in der es um Millionengeschäfte, Undercover-Journalismus, und das Treiben einflussreicher PR-Berater in der Berliner Republik geht.

Der sehr freie Journalist ist die Hauptperson eines Medienkrimis. Seit einer Weile gibt es den Verdacht, dass der 43-Jährige mit fragwürdigen Methoden für die Berliner Beratungsfirma WMP EuroCom AG im Einsatz war - als Journalist inkognito.

Er brachte Rivalen von Firmenkunden der WMP ins Zwielicht und versuchte, Klienten des Unternehmens durch journalistische Mimikry eine bessere Position zu verschaffen.

Plaths Biografie ist eine spannende deutsch-deutsche Geschichte. In den letzten Tagen der DDR hat er die Öffentlichkeitsarbeit für das Theater im Palast erledigt und nach der Wende mit zwei Freunden das Theater des Ostens gegründet.

Beste Verbindungen

Um den Unterhalt zu verdienen, arbeitete er nebenher als Journalist für westdeutsche Medien. Manchmal als Rechercheur für den Spiegel, hauptsächlich für das Ressort Serie der Bild-Zeitung.

Plath, der mal in einem Wachregiment der Stasi diente, hatte beste Verbindungen zu Stasi-Generälen, war aber ansonsten eher unpolitisch. Er kam mit Bild-Größen gut ins Geschäft.

Die sitzen heute auch bei der WMP, jener Firma, die neulich Schlagzeilen machte, weil der Beratungsvertrag mit dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, publik geworden war.

Die in der Alten Jakobstraße in Berlin residierende Firma verspricht Kunden die Platzierung von Interviews und Geschichten "in überregionalen Leitmedien".

Auch könne für Präsenz in "dominierenden politischen Gesprächssendungen" gesorgt werden. Rund ein Dutzend der WMP-Mitarbeiter trug früher mal den Titel Chefredakteur und wechselte dann auf die andere Seite.

Macht diese Firma mit Helfern wie Plath auch schmutzige journalistische Geschäfte? Er kenne Plath, er schätze Plath, sagt Tiedje, 54, auf Anfrage.

Für die MDR-Show Ein Kessel DDR, die von einer WMP-Tochterfirma betreut wurde, habe Plath gearbeitet. "Aber wenn Sie schreiben sollten, dass eine Geheimarmee für uns im Einsatz ist, wäre das Blödsinn. No. No. No. Undercover läuft nichts. Definitiv."

Aber es gibt Fälle.

Scientology-Gerücht um UPS

Verdachtsfall Nummer eins: Die WMP unterhält seit Jahren ausgezeichnete Geschäftsverbindungen zur Post. Kommunikationschef der Post war mehr als ein Jahrzehnt Gert Schukies, auf dessen Abschiedsfest auch Tiedje redete.

Schukies ist neuerdings im Aufsichtsrat der WMP. Nur eine schöne Männerfreundschaft?

Einer der großen Konkurrenten der Post ist das amerikanische Unternehmen United Parcel Service (UPS). Vor ein paar Jahre geriet UPS in einen bösen Verdacht.

Die Stuttgarter Verbraucherschutzorganisation Aktion Bildungsinformation e.V. (Abi), die sich seit Jahren mit den Praktiken von Scientology beschäftigt, brachte UPS in Verbindung mit dem Sektenkonzern.

Der Vorsitzende der Abi, Diplom-Ingenieur Eberhard Kleinmann, erklärte, dass jeder, der Pakete mit UPS verschicke, auch Scientology stärke. Woher hatte Kleinmann die Informationen?

Er habe sich jahrelang mit einer möglichen Verbindung Scientology und UPS beschäftigt, sagt der sympathische Diplom-Ingenieur der SZ, aber er sei nicht viel weitergekommen.

Dann sei plötzlich bei ihm der Journalist Plath erschienen und habe ihm die Namen wichtiger Zeu-gen genannt: "Plath hat mich sehr gut unterstützt."

Auch Tiedje habe ihm die Namen von Journalisten mitgeteilt, mit denen sich Kleinmann in Verbindung setzen solle: "Es war eine gute Zusammenarbeit." Welches Interesse hatte Tiedje?

"Kein geschäftliches. Ich habe was gegen Scientology", sagt der WMP-Chef.

Herr Falk und ein ominöser Journalist

Fall zwei: Kunde von Tiedje ist der Verlegerspross Alexander Falk, der derzeit wegen angeblicher Luftgeschäfte in Untersuchungshaft sitzt.

Im Sommer 2002 hatte Falk noch den Plan, Anteile der in Schwierigkeiten geratenen Kölner Privatbank Delbrück zu übernehmen.

Es gab Streitereien mit einem der Gesellschafter, dem Falk viele Millionen Euro geliehen hatte.

Nun trat Journalist Plath in Aktion. Am 23. Juli 2003 kam es zu einem Treffen in Berlin, an dem ein Gesellschafter der Bank und ein Unternehmensberater teilnahmen.

Plath gab vor, für Spiegel und Manager Magazin zu arbeiten und erklärte, er werde mit dem Herausgeber Rudolf Augstein beraten, in welchem der Blätter sein Beitrag platziert werde. Augstein und ein Herr Plath?

Plath stellte lauter Fragen, die Falk gefallen hätten. Dann unterbrach plötzlich der Unternehmensberater das Gespräch. Er bat um eine Visitenkarte von Plath. Leider nicht dabei.

Ob er jener Plath sei, über den die Branche munkele, dass er undercover unterwegs sei? Plath sprang auf, erklärte, er werde die Fragen schriftlich einreichen und verschwand.

Sieben Tage später bat ihn der Unternehmensberater um den Fragenkatalog: Plath sagte wörtlich: "Da muss ich erst einmal mit dem Herrn Falk und Herrn...". Hier unterbrach er sich und stotterte kurz: "Da muss ich erst einmal nachfragen."

Er fragte nie mehr.

Kommentar Tiedje: "Die Geschichte kenne ich nicht. Habe nichts damit zu tun. Ich schätze Falk. Der wird bald aus der Haft entlassen und dann wird der 150 Millionen Euro Schadenersatz bekommen. Punkt."

Kunde gegen Großaktionär

Fall drei. Zu den Kunden der WMP gehörte auch der Manager Kajo Neukirchen, ehemaliger Vorstandschef des Anlagenbauers MG Technologies.

Neukirchen lag viele Monate im Clinch mit dem Großaktionär des Konzerns, dem Milliardär Otto Happel, der in der Schweiz lebt. Ende 2001 tauchte auf dem Anwesen von Happel in Luzern ein Mann auf, der Fotos machen wollte.

Sicherheitsbeamte hielten ihn fest und stellten die Personalien sicher: Andre Plath aus Berlin.

"Haben wir definitiv nichts damit zu tun", sagt Tiedje. Seine Firma mache nur saubere Sachen. Ganz sauber.

Sein Kompagnon Hans-Erich Bilges, der keinen Ruf mehr zu verlieren hat, brachte Neukirchen immerhin in einer Sabine Christiansen-Sendung unter.

Die saubere Arbeit hat nicht geholfen - im Frühjahr dieses Jahres musste Neukirchen gehen.

Nicht alle Bananen bio

Fall vier. Mit einem Freund reiste Plath im März 2001 nach Costa Rica, um über die Bananen-Plantagen des Bio-Unternehmers Claus Hipp zu recherchieren.

Ein sehr teurer Trip, denn auch ein Übersetzer musste bezahlt werden. Plath blieb rund zwei Wochen. Der Freund zehn Tage.

Resümee der Recherchen: Nicht alle Bananen in den Gläschen von Hipp seien bio. Bald nach der Rückkehr bot Plath die Geschichte der Süddeutschen Zeitung an.

Die Recherche sollte nichts kosten, er wolle sie nur loswerden. Ihm liege das Thema am Herzen. Er wurde sie bei der SZ nicht los.

Dann sprach Tiedje einen leitenden Redakteur der Zeitschrift Max an. Ein guter Kollege, der Herr Plath, habe da eine spannende Geschichte. Max griff zu, recherchierte den Fall nach und brachte eine Story über den angeblichen Bio-Schwindel des Herrn Hipp.

Wer bezahlte die Kosten des Unternehmens? "Wir nicht", sagt Tiedje. Über Kunden wolle er nicht sprechen, aber er habe kein Mandat der Konkurrenz von Hipp.

Warum hat er die Geschichte empfohlen? Weil es eine "tolle Geschichte" sei. "Die Heuchelei von Hipp" störe ihn nun mal.

Tiedje, der auch Altkanzler Helmut Kohl beriet, ist ein Mann, der an vielen Rädern dreht und sich selbst manchmal mit den Augen eines Drehbuchschreibers betrachtet. Ein Agitator für sich selbst. Ist er aber auch selbstlos?

Er mag nicht Scientology, er schätzt nicht Herrn Hipp, er mag Falk und über Plath, der für die SZ nicht zu erreichen war, sagt er kein böses Wort.

Auch Andre Plath ist offenbar ein Narziss geworden, der sich in den letzten Jahren sehr verändert hat.

Er hatte Furcht, dass er überwacht werde und sprach davon, dass er irgendwo Unterlagen gebunkert habe, die für ihn eine Art Lebensversicherung seien. Eigentlich doch kein Krimi - sondern eine traurige Geschichte.

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