Winnie Mandela:Sie war der Kampf

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Im Gedenken an Winnie Mandela schwingt auch die Frage mit, ob ihr Weg nicht der bessere gewesen wäre. Fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheid ist Südafrika das ungleichste Land der Welt. Vielen Schwarzen in Südafrika ist heute danach, den Kampf um Gerechtigkeit erneut zu beginnen.

Von Bernd Dörries

Erst sah es so aus, als hätte der Tod eine besonders bittere Ironie bereitgehalten für Winnie Madikizela-Mandela. Sie starb in einem Jahr, in dem es mal wieder nur um ihn gehen sollte, um ihren Ex-Mann, um die Ikone Nelson Mandela, der vor 100 Jahren geboren wurde. Südafrika holte gerade Luft für einen Gedenkmarathon, zu einer Endlosschleife der Erinnerungen, einer Selbstbestätigung, dass dessen Traum der Regenbogennation doch noch wahr werden könne.

Der Tod von Winnie Mandela vor knapp zwei Wochen schien da nur zu stören, so wie sie viele in Südafrika in der Vergangenheit gestört hat, mit ihren ständigen Affären, ihrem eigenen Kopf. Viele waren daher ganz froh, dass es in den letzten Jahren ruhig geworden war um sie. In den Tagen nach ihrem Tod passierte aber etwas Seltsames: Winnie Mandela erscheint nun lebendiger, als sie es in den vergangenen Jahren war. Die Sonderbeilagen in den Zeitungen werden immer größer, die Nachrufe enden nicht, weil es immer noch ein Detail aus ihrem Leben zu erzählen gilt, noch eine Sichtweise. Tausende junge Frauen wickelten sich das Tuch um die Haare, so wie Winnie es getragen hatte. Es begann eine endlose Abfolge von Trauerzeremonien, die am Samstag schließlich ihren Abschluss fand im Stadion von Soweto. "Wir sind eine Nation, die verletzt ist von unserer Vergangenheit, betäubt von unserer Gegenwart und zögerlich gegenüber der Zukunft", sagte Präsident Cyril Ramaphosa. "Sie hat uns in Trauer vereint."

Ganz falsch ist das nicht, es wird aber zumindest sehr unterschiedlich getrauert. Mal mehr, mal weniger. Mal für jenen Teil ihres Lebens, mal für den anderen. Winnie Mandela wurde 81 Jahre alt, ihr Tod kam nicht ganz unerwartet, er traf das Land aber völlig unvorbereitet. Die Reaktionen auf ihr Ableben zeigen, dass es keine gemeinsame Erzählung der vergangenen Jahrzehnte gibt.

Im Gedenken schwingt die Frage mit, ob ihr Weg nicht der richtigere gewesen wäre

Nelson Mandela, dessen nun gedacht werden sollte, war lange das Bindeglied, der Versöhner und Vereiner. Er war der Heilige, Winnie nur die geschiedene ungeliebte Verwandte, die eine zum Ende der Apartheid mordende und vergewaltigende Schlägertruppe angeführt hatte und danach eine korrupte Diva war. So die gängige Kurzform eines unfassbar komplexen Lebens.

Ihr Tod zeigt nun, dass sie bei vielen Schwarzen in Südafrika in diesem Jubiläumsjahr womöglich viel populärer ist als der, um den es eigentlich gehen sollte. Sie sehen eine Frau, ohne die es Nelson Mandela nicht gegeben hätte, die sein Gesicht wurde, seine Stimme, als er ins Gefängnis kam. Die dem Apartheidregime ausgeliefert war, während die Spitzen des ANC es sich im Exil bequem gemacht hatten. Sie war der Kampf. Und sie blieb es, als Nelson Mandela als Versöhner aus dem Gefängnis kam.

Im Gedenken an Winnie Mandela schwingt nun auch die Frage mit, ob ihr Weg nicht der bessere gewesen wäre. Fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheid ist Südafrika das ungleichste Land der Welt. Ihr Mann hatte seinen Frieden gemacht mit den weißen Tätern der Apartheid und dem Großkapital, er hat ihnen die Freiheit gelassen und das Geld.

Winnie Mandela hat das immer für einen Fehler gehalten und dagegen gekämpft. Und vielen Schwarzen in Südafrika ist heute danach, diesen Kampf um Gerechtigkeit erneut zu beginnen.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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