Wiederaufbau im Irak:Heikle Telefonate

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Abstimmungsprobleme in der US-Regierung haben Präsident Bush zu Telefondiplomatie gezwungen. Er rief bei Schröder, Chirac und Putin an, um mit ihnen darüber zu reden, wie die USA bei der Vergabe von Aufträgen für den Wiederaufbau im Irak vorgehen wollen. Gestern war der Hardliner Paul Wolfowitz mit schlechten Botschaften für die Kriegsgegner vorgesprescht.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, der französische Präsident Jacques Chirac und der russische Staatschef Wladimir Putin hätten das Thema bei einem Anruf Bushs am Mittwoch angesprochen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Allen Abney, am Abend in Washington. Bush habe signalisiert, dass über das Thema weiter gesprochen werde, sagte Abney.

Die Gespräche hätten aber nicht in direktem Zusammenhang mit dem Ausschluss gestanden. Wie die New York Times in ihrer Internetausgabe berichtete, habe Bush Berlin, Paris und Moskau gebeten, dem Irak seine Schulden zu erlassen.

"Vorgehen nicht akzeptabel"

Beamte des Weißen Hauses seien wütend über den Zeitpunkt und den Ton der Direktive des Verteidigungsministeriums zur Auftragsvergabe gewesen.

Bush selbst sei "ausgesprochen unglücklich" über die Gesprächssituation gewesen, zitierte das Blatt einen hohen Beamten. Es sei zu befürchten, dass damit Bushs Bestrebungen, die wegen des Irak-Kriegs gestörten Beziehungen zu diesen Ländern zu kitten, unterhöhlt würden.

Bundesaußenminister Joschka Fischer sprach unterdessen mit seinem US-Kollegen Colin Powell über den Beschluss des Pentagon. Dies bestätigte der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, ohne Details des Telefongesprächs zu erläutern.

Fischer hatte sich zuvor in Berlin erstaunt über Meldungen vom Ausschluss der Kriegsgegner geäußert. Regierungssprecher Bela Anda sagte, das Vorgehen sei "nicht akzeptabel" und entspreche nicht dem Geist der Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten, "in die Zukunft zu schauen und nicht in die Vergangenheit".

Das US-Verteidigungsministerium hatte den Ausschluss mit "dem Schutz essentieller Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten" begründet. Zugleich wurde deutlich, dass das Weiße Haus die Politik des Pentagon abgesegnet hat.

Die US-Regierung verteidigte die Direktive dann auch unbeeindruckt von der Kritik. Der Wiederaufbau werde vor allem von den amerikanischen Steuerzahlern finanziert.

Pentagon dementiert Strafaktion

"Es ist absolut angemessen und begründet, dass die Generalverträge für den Wiederaufbau an das irakische Volk und jene Länder gehen, die mit den USA bei der schwierigen Aufgabe zusammenarbeiten, einen freien, wohlhabenden und souveränen Irak zu schaffen", sagte Präsidentensprecher Scott McClellan am Mittwoch in Washington.

Die US-Regierung hatte bereits vor dem Krieg gewarnt, die Gegner würden keine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau des Iraks spielen. Der Beschluss widerspricht nach den Worten von McClellan nicht den Regeln der Welthandelsorganisation WTO.

Aus dem US-Außenministerium hieß es, die Beschränkungen bezögen sich nur auf Aufträge als Generalunternehmer. Für Subunternehmer gebe es so gut wie keine Einschränkungen. Es sei aber problematisch, den Ausschluss mit Sicherheitsinteressen zu begründen, was bei betroffenen Staaten für Verärgerung gesorgt hatte.

Das Pentagon wies Spekulationen zurück, mit dem Ausschluss Deutschlands und anderer Staaten von Wiederaufbau-Aufträgen in Irak sollten diese Länder wegen ihrer Gegnerschaft zum Irakkrieg bestraft werden.

Unternehmen aus diesen Ländern könnten sich an den Ausschreibungen beteiligen, falls sich ihre Regierungen entschlössen, Truppen nach Irak zu schicken, sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums am Mittwoch.

Es handle sich um keine Strafmaßnahme. Die Liste der für die Wiederaufbau-Projekte in Frage kommenden Staaten sei "offen".

Frankreich will EU-Kommission einschalten

Die russische Regierung kritisierte den Ausschluss der Kriegsgegner scharf und bekräftigte zugleich ihre Forderung nach Rückzahlung aller irakischen Schulden von umgerechnet 6,5 Milliarden Euro.

Außenminister Igor Iwanow sagte nach einem Treffen mit Fischer in Berlin, Moskau orientiere sich an den Zusicherungen von Bush, wonach die Anwesenheit der US- Streitkräfte im Irak nur vorübergehend sei und das irakische Volk über seine Ressourcen selbst verfügen könne.

Ein Sprecher des französischen Außenministeriums sagte: "Wir werden die Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit dem internationalen Wettbewerbsrecht gemeinsam mit unseren betroffenen Partnern, insbesondere in der EU und der Kommission, prüfen."

Die Richtlinie von Wolfowitz habe man zur Kenntnis genommen. Kanada erwäge seine finanzielle Beteiligung am Wiederaufbau des Irak zu beenden, schrieb die New York Times".

Nach der am Dienstag bekannt gewordenen Richtlinie des stellvertretenden US-Verteidigungsministers Paul Wolfowitz sollen Unternehmen aus Ländern, die gegen den Irak-Krieg waren, keine Generalaufträge erhalten.

Ausgeschlossen sind unter anderen Firmen aus Deutschland, Frankreich, Russland, China und Kanada. Der Wert der Aufträge beläuft sich auf 18,6 Milliarden Dollar, was etwa 15,2 Milliarden Euro entspricht.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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