Wie Nachrichten entstehen:Hund beißt Bürgermeister

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Warum Kanzler Schröder nicht zur Citigroup wechseln wird und warum auch das eine Nachricht ist.

Von Kurt Kister

Wie entsteht eine Nachricht? Die einfachste Möglichkeit: Ein Hund beißt den Bürgermeister, und der erzählt es dem Lokalredakteur. Der Redakteur schreibt: "Hund beißt Bürgermeister."

Irgendwann richtig Geld verdienen: Kanzler Schröder (Foto: Foto: ddp)

Schwieriger wird es, wenn der Redakteur es nicht vom Bürgermeister erfährt, sondern von dessen Sekretärin, die er privat kennt. Dann ruft er den Bürgermeister an, der den Biss aber abstreitet, weil der Hund seiner Geliebten gehört, und seine Ehefrau schon immer den Verdacht hatte, dass ihr Mann mittags nicht im Rathaus sitzt, sondern mit Uschi und ihrem Hund spazieren geht.

Der Redakteur weiß gar nichts von Uschi, aber er kennt die Geschichte mit dem Biss. Also schreibt er: "In der Umgebung des Bürgermeisters heißt es, er sei von einem Hund gebissen worden. Der Bürgermeister bestreitet dies."

So ähnlich geht es derzeit wieder einmal Gerhard Schröder. Im Stern war zu lesen, Schröder sei für die Zeit nach seiner Kanzlerschaft ein Führungsposten bei der US-Bankengruppe Citigroup "in Aussicht gestellt" worden. Chef der Citigroup ist Sandy Weill, mit dem sich Schröder sehr gut versteht.

Stern-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges verknüpfte diese Mitteilung, die er aus "sehr guten Quellen aus Amerika und Deutschland" geschöpft haben will, mit Aktivitäten, die der Kanzler im Zusammenhang mit der Zukunft der Deutschen Bank entwickelt hat.

Die Bild-Zeitung zog nach. Während Jörges allerdings, um im Bild zu bleiben, in etwa geschrieben hatte: Schröder soll von Hund gebissen worden sein, intonierte Bild: Geht Schröder mit Uschi nach New York?

Aus alledem ist jetzt eine Nachricht geworden. Ein Regierungssprecher sagte am Freitag, Stern und Bild hätten "jenseits von Wahrheit und Halbwahrheiten" in "verantwortungsloser Weise" berichtet.

Nun gibt es aber eine Menge verstreuter Informationen, die - jede für sich genommen - wahr sind: Schröder und seine Frau Doris Schröder-Köpf haben des öfteren halb öffentlich darüber nachgedacht, dass "ein paar Jahre in New York" später ganz reizvoll sein könnten.

Schröder-Köpf hat früher in New York gelebt und denkt gerne daran. Darüber hinaus sind vom Kanzler Sätze überliefert wie: "Irgendwann sollte man mal richtig Geld verdienen."

Drittens gilt es in Amerika als selbstverständlich, prominente Politiker a.D. in Aufsichtsräte oder Vorstände zu bestellen. In der Citigroup zum Beispiel sitzt der Banker Robert Rubin, der Bill Clinton mal als Finanzminister diente.

Viertens hat Schröder zu Citigroup-Boss Weill mehr als die übliche Schön-Sie-wieder-mal-zu-sehen-Beziehung.

Fünftens gibt es "in der Umgebung" Schröders und Weills Leute, die behaupten, Weill und Schröder hätten "nicht nur als Flachserei" über Schröder und die Citigroup gesprochen.

Jetzt treten wir ein ins Reich der Spekulation. Es mag sein, dass Weill zu Schröder gesagt hat: Dann kommst Du nachher eben zu uns. Schröder mag lachend gesagt haben: Das wär was. Irgendwie ist diese Unterhaltung diffundiert, weil es immer Leute gibt, die quatschen, um zu zeigen, wie viel sie wissen.

Selbst wenn es vor der Veröffentlichung eine minimale Chance gegeben haben sollte, dass Schröder sich den Ruhestand von der Citigroup hätte vergolden lassen, ist dies nun undenkbar.

Und auch das ist schon wieder eine Nachricht: Schröder geht nicht zur Citigroup.

© SZ vom 15.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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