Wie ein Land sich beraten lässt:2500 Euro am Tag

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Eine Rede für den Ministerpräsidenten, die Organisation einer Konferenz - in Mecklenburg-Vorpommern lässt sich genauer als andeswo nachvollziehen, wofür die Landesregierung kostspielige Berater für sich arbeiten lässt.

Von Arne Boecker

Fällt dem Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), selbst nichts ein zum Tag der Deutschen Einheit? Oder wenigstens einem seiner Dutzenden Beamten? Für eine Rede zum 3. Oktober engagierte Ringstorffs Staatskanzlei 1999 eigens einen Berliner Hochschullehrer, der Ringstorff eine Rede schrieb. Kosten: 600 Euro.

Auch zur "Unterstützung bei der Organisation von Ministerpräsidenten-Konferenzen" holte sich die Staatskanzlei Hilfe von außen - für 380 000 Euro. Keine Einzelfälle. In Mecklenburg-Vorpommern lässt sich genauer als in den anderen Bundesländern belegen, wie wild der Beratermarkt wuchert und wie freigiebig Regierungen Aufträge streuen.

"Interessen des Landes nicht immer gewahrt"

Von 1998 bis 2002 gab die von SPD und PDS geführte Regierung 24,9 Millionen Euro aus für 516 Verträge mit externen Beratern. Allein das Arbeitsministerium benötigte Hilfe von außen im Wert von 12,6 Millionen Euro.

Ein "Fass ohne Boden" nennt Oppositionsführer Eckhardt Rehberg (CDU) denn auch das von Helmut Holter (PDS) geführte Haus. Nachdem die CDU im Schweriner Landtag schon Ende 2002 kritische Fragen gestellt hatte, war der Rechnungshof auf die Beraterschwemme aufmerksam geworden.

Seine Prüfer studierten 57 der 516 Verträge. Resultat: Diese wiesen zum Teil derart "erhebliche Mängel" auf, dass "die Interessen des Landes nicht immer gewahrt worden" seien. In ihrem vorläufigen Bericht, in den bis Ende Februar die Stellungnahmen der Ministerien eingearbeitet werden, kritisieren die Prüfer drei Praktiken.

Dubiose Praktiken

Erstens: In 47 der 57 Fälle, denen der Rechnungshof nachging, hat das Land die Aufträge ohne Ausschreibung vergeben. Dem Rechnungshof fiel auf, dass "zumeist noch nicht einmal Vergleichsangebote anderer Wettbewerber eingeholt" worden sind.

Gelegentlich hätten Berater die Ministerien regelrecht auf ein Thema angesetzt, um dann den Auftrag zu kassieren, sagt Reiner Holznagel, Geschäftsführer des "Bundes der Steuerzahler" in Mecklenburg-Vorpommern. Der Text, mit dem Berater ihre Dienste angeboten hätten, sei in diesen Fällen teils identisch mit dem Text der späteren Ausschreibung durch das Ministerium.

Zweitens hätte das Land einen Teil der Aufgaben, die an Externe delegiert worden seien, "auch mit eigenem Personal erfüllen können", urteilt der Rechnungshof. So wertete ein Berater für das Bildungsministerium eine Konferenz aus, die diese selber veranstaltet hatte.

Dabei sind die Ministerien in Mecklenburg-Vorpommern personell - im Vergleich zu denen anderer Länder - opulent besetzt. Auf 1000 Einwohner kommen 26 im öffentlichen Dienst des Landes Beschäftigte, im bundesweiten Durchschnitt sind es 20. Umgekehrt hat zum Beispiel das Umweltministerium Studien bezahlt, die "allein den Projekten Dritter gedient" hätten, so der Rechnungshof. In diesen Studien ging es unter anderem darum, ob sich für die "Dritten" die Nutzung regenerativer Energien lohnt.

Zum Dritten schließlich scheinen den Prüfern einige Honorare zu hoch. Den Rekord hält das Wirtschaftsministerium, das einem Berater einen Tagessatz von 2500 Euro gewährte. Laut Rechnungshof war es zudem üblich, Honorare durch die großzügige Bewilligung von Nebenkosten aufzustocken.

890 Euro etwa erhielt ein Programmierer, den sich das Bildungsministerium ins Haus holte. Die Gegenleistung bestand aus "schöpferisch wenig anspruchsvollen Tätigkeiten", wie die Rechnungsprüfer in ihrem vorläufigen Bericht monierten. Die Staatskanzlei genehmigte einem Berater einen Tagessatz von 1050 Euro - für ein Vorgespräch.

Undurchsichtige Grauzonen

"Die Ausreichung von Beratermillionen droht sich im Landeshaushalt zu einer undurchsichtigen Grauzone zu verfestigen", urteilt Oppositionschef Rehberg. Frank Tidick, Leiter der Schweriner Staatskanzlei, verteidigt hingegen das Gebaren der Regierung: "Wenn das Land aus Kostengründen Personal abbaut, um sich auf Kernbereiche zu konzentrieren, ist es auf den Sachverstand externer Berater angewiesen."

Jost Mediger, Staatssekretär im Finanzministerium, macht geltend, dass in Schwerin auch zu früheren Zeiten schon Berater beschäftigt wurden: Die Summe, welche die SPD/PDS-Regierung für externe Berater ausgebe, habe sich "gegenüber der Zeit von 1994 bis 1998, als die große Koalition im Amt war, nicht signifikant geändert".

© SZ vom 22.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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