Wen Jiabao auf Europa-Tour:Bayern zuerst

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Chinas Regierungschef Wen Jiabao beginnt seine Europareise mit einem Besuch auf einem Bauernhof und bei Audi in Ingolstadt.

Von Hans Kratzer

Chinas Regierungschef Wen Jiabao ist auch in dem hohen Amt, das er vor etwa einem Jahr angetreten hat, ein bescheidener Mann geblieben.

Stoiber und Wen bei Audi. (Foto: Foto: ap)

Obwohl sich am Sonntag Mittag der Tisch in der Bauernstube der Familie Pellmeyer vor bayerischen Köstlichkeiten (Geselchtes, Radi, Brezen) geradezu bog, genehmigte sich der hohe Gast lediglich ein Stückchen Brot und einen Schluck Weihenstephaner Bier.

Das beeindruckte wiederum den bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber so sehr, dass er sich zu einer Frotzelei hinreißen ließ: "Jetzt weiß ich wenigstens, warum er so dünn ist - weil er nichts isst."

Mit dem Besuch in Bayern hat der chinesische Ministerpräsident seine erste Europareise begonnen. Nach dem Empfang des Staatsgastes auf dem Münchener Flughafen steuerte Stoiber zusammen mit Wen und dessen achtzigköpfiger Begleitung zuerst den in der Nähe des Flughafens gelegenen Bauernhof der Familie Pellmeyer an, bevor die Delegation zum Audi-Werk nach Ingolstadt weiterfuhr.

Von Bayern über Berlin nach Italien und Belgien

Am Abend gab Stoiber zu Ehren des Gastes ein Staatsbankett in der Münchner Residenz. An diesem Montag will Wen in Berlin mit Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammentreffen. Weitere Stationen der zehntägigen Europareise Wens sind Italien, Belgien, Großbritannien und Irland.

Wens Interesse an der Landwirtschaft hängt mit seinem Lebenslauf und den daraus resultierenden Visionen zusammen. Als Sohn einer armen Lehrerfamilie arbeitete er nach seinem Studium viele Jahre in der Armutsprovinz Gansu. Seither legt er den Schwerpunkt seiner Arbeit vor allem auf die Armutsbekämpfung und die Landwirtschaftspolitik.

Wenn China seine Bauern bei der steilen wirtschaftlichen Entwicklung nicht mitnehme, seien alle Anstrengungen umsonst, lautet sein Credo. Immerhin arbeiten fast 80Prozent aller Chinesen in der Landwirtschaft.

Biogasanlage als Vorzeigeobjekt moderner Landwirtschaft

So betrachtet, war Wens erste Station goldrichtig gewählt. Mit dem Hof der Familie Pellmeyer in Eggertshofen bei Freising bekam Wen ein Vorzeigeobjekt moderner Landwirtschaft zu sehen, dessen Prosperität nicht nur auf Wäldern, Wiesen und 65 Milchkühen beruht, sondern vor allem auf einer Kompostier- und einer Biogasanlage, die pro Jahr etwa zwei Millionen Kilowatt Strom erzeugt. Damit wird immerhin der Bedarf von mehreren hundert Haushalten gedeckt.

Wen staunte und es war ihm deutlich anzumerken, dass er hier ein leuchtendes Vorbild für den Aufbau kleiner landwirtschaftlicher Strukturen entdeckte, mit der er die drohende Landflucht in China verhindern will.

Frohe Gesichter machten auch Stoiber und seine Minister Otto Wiesheu und Josef Miller, verheißt doch das große China dem kleinen Bayern riesige Absatzmärkte. Dass die Technologie von Biogas-Anlagen wesentlich erfolgsträchtiger sein wird als der Verkauf der Hanauer Brennelementefabrik, bestätigte indirekt der chinesische Außenminister Li Zhaoxing: "Von Gesprächen hierüber weiß ich nichts", sagte er und biss in eine resche Breze.

© SZ vom 3. Mai 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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