Walpurgisnacht in Prag:Besuch bei den Kriegern des heiligen Wenzel

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Am Vorabend des tschechischen EU-Beitritts war Präsident Vaclav Klaus offenbar nicht so recht zum Feiern zumute: Abseits vom Staatsakt im Nationaltheater nahm er an einer mitternächtlichen Besteigung des sagenumwogenen Berges Blanik teil. Der Legende nach kann die tschechische Nation dort in der Not auf Hilfe hoffen.

Von Paul Katzenberger

Es war, als wollte Vladimir Spidla noch einmal Kraft tanken, als er kurz vor Mitternacht in der Zentrale seiner sozialdemokratischen Parteifreunde auftauchte. Im "Lidovy Dum" (Haus des Volkes) konnte sich der EU-Befürworter ehrlicher Begeisterung für den bevorstehenden EU-Beitritt des Landes sicher sein.

Präsident Vaclav Klaus überrascht mit mitternächtlicher Mystik. (Foto: Foto:)

Schon seit dem Vormittag hatten die Tschechen überall gefeiert - Sonne und Konzerte begleiteten das Land in den letzten Stunden vor dem EU-Beitritt - doch euphorisiert wirkten die Prager keineswegs.

Das schien den Premier Kraft gekostet zu haben: Eine kurze - beinahe zurückhaltende Ansprache - dann machte sich Spidla auf zum Altstädter Ring, wo inzwischen Tausende auf den gemeinsamen Countdown zum Beitritt und das anschließende Feuerwerk warteten.

Aber auch im Zentrum der Prager Altstadt behielten die meisten Menschen ihre Emotionen fest im Griff: Viele waren wohl eher aus Neugierde gekommen und weniger weil ihnen die EU eine Herzensangelegenheit war.

So ist etwa Pavel Novacek zwar für den Beitritt, er fühlt sich aber als EU-Bürger zweiter Klasse: "Sieben Jahre können wir unseren Wohnort nicht frei wählen, das ist unfair", sagt der 27-Jährige mit Blick auf die Beschränkung der Freizügigkeit für die Bürger der neuen Mitgliedsstaaten.

Ein Werbeplakat des amerikanischen Softwareherstellers Adobe greift wohl die Hauptangst der Menschen auf - steigende Preise nach dem Beitritt. Nur noch im April seien die Preise niedriger, "und es ist schon April" heißt es da. In einem Land, in dem die meisten Menschen umgerechnet wenige hundert Euro verdienen, sind solche Befürchtungen verständlich.

Widersprüchlich sind schließlich auch die Signale aus der hohen Politik: Während Premier Spidla unverdrossen für die Vorteile der EU-Mitgliedschaft warb, machte Präsident Vaclav Klaus aus seinen Vorbehalten kein Hehl.

"Was will uns Klaus damit sagen?"

Fast schon Affront ist schließlich sein Verhalten am Vorabend des Beitritts: Der Präsident beteiligte sich zwar zunächst am Protokoll und wendete sich gemeinsam mit Spidla in einer Fernsehansprache an sein Volk.

Beim Festakt im Nationaltheater, zu dem alle Würdenträger des Staates geladen waren, fehlte aber ausgerechnet der erste Mann des Staates. Stattdessen machte sich Klaus auf den Weg zum mittelböhmischen Berg Blanik, wo er an einer mitternächtlichen Besteigung teilnahm. Diese Wanderung hat in der Walpurgisnacht zwar Tradition, noch nie zuvor war sie aber von einem Staatsoberhaupt besucht worden.

"Was will uns Klaus damit sagen?", fragten sich die meisten Tschechen, denen der Berg Blanik aus einer alten Legende wohlvertraut ist. Nach dem Mythos soll in dem Berg die Krieger des heiligen Wenzel schlafen, die sich erheben, sollte die tschechische Nation in Gefahr sein.

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