Wahlparteitag:Grüne ziehen "rote Linien"

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Die Partei will im Bund nur mit Partnern koalieren, die eine Ehe für alle billigen. Eine Obergrenze für Flüchtlinge lehnt sie ab.

Von Stefan Braun und Jakob Schulz, Berlin

Die Grünen ziehen ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf, bestimmten aber mehrere "rote Linien" für eine Regierungsbeteiligung. Auf ihrem Wahlparteitag in Berlin wehrte die Parteispitze mehrere Versuche ab, die Partei auf eine Koalition festzulegen oder bestimmte Bündnisse auszuschließen. Initiativen für eine Festlegung auf Rot-Rot-Grün oder ein Nein zu einem Bündnis mit der CSU fanden keine Mehrheit. Unter dem Jubel der Delegierten erklärte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt jedoch, dass die Grünen keinen Koalitionsvertrag mit einer Obergrenze für Flüchtlinge unterschreiben würden. Auch ein Bekenntnis zur Ehe für alle sei zwingend.

Nach Monaten der großen Zweifel am Programm und an dem Spitzenduo war die Partei auf dem dreitägigen Treffen in Berlin um Geschlossenheit und Zielstrebigkeit bemüht. Cem Özdemir und Göring-Eckardt warben in ihren Reden um Unterstützung und griffen Kanzlerin Angela Merkel wie auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz scharf an. Vor allem an der Klima- und Kohlepolitik der großen Koalition ließen sie kein gutes Haar.

Vertreter der Grünen wie Winfried Kretschmann, Anton Hofreiter und Robert Habeck betonten, entgegen aller Behauptungen der politischen Gegner sei der Kampf gegen den Klimawandel keine Petitesse, sondern zentrale Zukunftsaufgabe. Kretschmann sagte, niemand außer den Grünen kümmere sich um diese entscheidende Menschheitsfrage. Gerade deswegen seien die Grünen wichtiger denn je.

Der Fokus aufs Klima schlägt sich auch im Wahlprogramm der Partei nieder. So wollen die Grünen die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort stilllegen und bis 2030 die komplette Kohleverstromung beenden. Darüber hinaus haben sie beschlossen, Autos mit Verbrennungsmotoren nur noch bis 2030 neu auf die Straße zu lassen. Nach einigen Debatten beschlossen sie, vom 1. Januar 2030 keine Neuzulassungen mehr zu erlauben. Özdemir bezeichnete die Entscheidungen als "real, radikal und verantwortungsbewusst".

Im Gegensatz zum Wahlkampf vor vier Jahren, als ein Streit über die Steuerpolitik den Parteitag belastete, gab es dieses Mal kaum schärfere Auseinandersetzungen. So beschlossen die Delegierten, im Falle eines Wahlsiegs eine Vermögensteuer für Millionäre einzuführen und ärmere Familien über ein sogenanntes Familienbudget massiv zu entlasten. Mit einem Milliardenprogramm wollen sie Schulen erneuern - und um das zu können, möchten sie das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abschaffen. Die gleiche Forderung haben auch die Liberalen und die Sozialdemokraten in ihre Wahlprogramme aufgenommen.

Obwohl vor dem Treffen viele Partei-Linke die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein kritisiert hatten, gab es darüber kaum Debatten. Alle hatten das Thema im Kopf, kaum jemand wollte es offen infrage stellen. Zumal Spitzenkandidatin Monika Heinold betont hatte, dass es nicht als Vorbild für den Bund beschlossen worden sei.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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