Wahlkampf in der Krise:Steinmeier macht es wie Bill Clinton

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SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier nimmt sich den US-Politiker als Vorbild. Von wegen Außenminister und diplomatische Bälle: Beherzt springt er in die Lücke, die ihm die Union in der Wirtschaftspolitik lässt.

Gökalp Babayigit

"It's the economy, stupid" - "Es geht um die Wirtschaft, Idiot" - so lautet der Leitspruch, mit dem sich Bill Clinton im Jahre 1992 aufmachte. So warf er den als unschlagbar geltenden Golfkriegs-Präsidenten George H.W. Bush aus dem Weißen Haus.

Frank-Walter Steinmeier: Der Wahlkampf hat schon längst begonnen. (Foto: Foto: dpa)

Die gleiche Maxime scheint sich anno 2008 auch ein anderer auf die Fahnen geschrieben zu haben: Frank-Walter Steinmeier, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland.

Der Vizekanzler ist neuerdings auch noch Wirtschaftsexperte und selbsternannter Retter Zehntausender Jobs, aus gutem Grund: Schließlich ist er oberster Wahlkämpfer für die SPD.

Seit geraumer Zeit - verstärkt seit seiner Kür zum Kanzlerkandidaten - versucht sich Steinmeier an innenpolitischen Themen. Das Montagstreffen mit Betriebsratschefs deutscher Autokonzerne und dem IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber sowie das Doppelinterview in der Bild-Zeitung gemeinsam mit Luxemburgs Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker stellen den vorläufigen Höhepunkt der Offensive dar.

Hilfe vom christsozialen Schwergewicht

Steinmeier machte sich - nach dem Treffen mit den Betriebsräten - stark für den Standort Deutschland ("Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen"); und im gemeinsam mit dem EU-Schwergewicht Juncker geführten Interview bezog er eine Position, die die Kanzlerin gelinde gesagt irritiert haben dürfte.

Besonders pikant: Juncker, der Christsoziale, unterstützt den wahlkämpfenden Sozialdemokraten gegen die CDU-Chefin Merkel.

Er halte es für notwendig, so der Außenminister, die Rettungsaktion für die Autoindustrie auf EU-Ebene gemeinsam anzugehen. "Wir in Europa sind stark, auch im Wettbewerb mit anderen Teilen der Welt, wenn wir uns jetzt auf eine gemeinsame Marschrichtung verständigen." Und: "Darauf will ich hinarbeiten."

Ebenfalls auf einen EU-Pakt setzen wolle er bei der Sicherung von Arbeitsplätzen. "Nach dem Rettungsschirm für die Banken brauchen wir jetzt den Schutzschirm für die Arbeitsplätze."

Dass Steinmeier sich so lang und breit zu Wirtschaftsthemen äußern kann, liegt nicht zuletzt daran, dass ihm die Union nicht genügend Paroli bietet.

Michael Glos, den eigentlichen Bundeswirtschaftsminister von der CSU, hat man zu den wichtigen Themen kaum gehört. So nutzt Steinmeier die entstehende Lücke, um an seinem Profil zu arbeiten.

Prominente Unterstützung erhielt Steinmeier dabei im Bild-Interview von Juncker. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe und luxemburgische Ministerpräsident stimmte dem Vizekanzler praktisch in allen Punkten zu: "Wirkliche Lösungen kann es nur auf europäischer Ebene geben. Deshalb ist der von Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagene EU-Pakt zur Sicherung von Arbeitsplätzen vernünftig."

Blick auf Obama

Gesamtlösungen für Europa - neu ist der Gedanke nicht. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war schon des Öfteren mit dieser Idee vorgeprescht - um nicht zuletzt von der deutschen Kanzlerin ausgebremst zu werden.

Dass nun deren eigener Außenminister ähnliche Überlegungen anstellt, kann Angela Merkel nicht gefallen. Allerdings wird sie sich wohl daran gewöhnen müssen.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat die Linie vorgegeben: Ein Außenminister sei nicht nur für diplomatische Bälle zuständig. Und so steckt Steinmeier mitten in der Eigenwerbung für die Bundestagswahl im kommenden Jahr.

Von der SPD-internen Idee, bis nach der Europawahl im Frühjahr mit dem Wahlkampf zu warten, hält Steinmeier offensichtlich nichts - oder sieht sich angesichts der Wirtschaftskrise gezwungen, aktiv zu werden. Die wichtigsten Wahl-Themen werden nun einmal Wirtschaft und Arbeit sein. Hier sieht sich der SPD-Kanzlerkandidat in der Pflicht, schon heute eigenes Profil zu entwickeln.

Steinmeier muss überhaupt nicht das Beispiel Bill Clintons aus dem Jahr 1992 heranziehen. Ihm genügt ein Blick in den jüngsten Wahlkampf in den USA: Auch Barack Obama hatte seinen Rivalen John McCain in den drängenden Wirtschaftsthemen deklassiert und nicht zuletzt deshalb die Präsidentschaftswahl gewonnen. Amerikaner hatten vor dem Urnengang in Umfragen angegeben, die Lösung der wirtschaftlichen Probleme viel eher Obama zuzutrauen.

Diese Botschaft hat Steinmeier verstanden - "It's the economy, stupid!"

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