Wahlkampagne 2009:Sternzeichen verwirrt die SPD

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An einer sternförmigen Grafik der Parteizentrale entzündet sich Streit darüber, wer im Wahlkampf 2009 bei der SPD das Sagen haben soll. Doch das eigentliche Problem liegt woanders.

Nico Fried

Irgendwo im Berliner Willy-Brandt-Haus, vermutlich in einer gut verschlossenen Schublade, liegt eine Grafik. Sie zeigt die Struktur, nach der die SPD im Jahr 2009 den Bundestagswahlkampf führen will. Der innerste Führungskreis der Partei hat diese Grafik am Montag in einer Präsidiumssitzung gesehen und einstimmig abgesegnet.

Steht SPD-Generalsekretär Hubertus Heil (l.) loyal hinter SPD-Chef Kurt Beck? Ihr Verhältnis gibt Anlass zu Spekulationen. (Foto: Foto: AP)

Damit könnte nun alles in Ordnung sein. Doch weil es sich um die SPD handelt, ist das Gegenteil der Fall. Das böse Wort vom Machtkampf in der Parteizentrale macht die Runde. Und das ist genau das, was die SPD eingedenk neuester Umfragen, die sie jetzt bei nur noch 20 Prozent und die Linkspartei bei 15 Prozent sehen, am wenigsten gebrauchen kann

Ein und dieselbe Grafik wird nämlich unterschiedlich beschrieben. Mal stehen im Zentrum der offenbar sternförmigen Zeichnung der Generalsekretär, der Bundesgeschäftsführer und ein noch zu bestimmender "strategischer Koordinator".

Mal steht in der Mitte nur der Generalsekretär, die beiden anderen irgendwo anders. Ganz zu schweigen von der Interpretation der Grafik: Mal heißt es, der Koordinator solle ein erfahrener Medienmann sein. Mal heißt es, er solle gerade kein Medienmann sein.

Miese Stimmung in der Parteizentrale

Man kann diese Geschichte auch aus einer anderen Richtung erzählen, sozusagen von oben nach unten. Ganz oben sitzt Parteichef Kurt Beck, dem schon lange anhängt, er würde die SPD nicht von Berlin aus führen, sondern aus Mainz, wo er Ministerpräsident ist und viel mehr Vertraute hat als in der Bundeshauptstadt.

Dass nun der Eindruck ziemlich mieser Stimmung in der Parteizentrale vorherrscht, ist jedenfalls nicht gerade dazu geeignet, das Bild vom SPD-Chef, der sich nicht ums Willy-Brandt-Haus kümmert, überzeugend zu widerlegen.

Unter Beck sind zwei Männer für das Management des Tagesgeschäfts und die Leitung des Hauses zuständig: Generalsekretär Hubertus Heil und Bundesgeschäftsführer Martin Gorholt. Heil wurde von Becks Vorgänger Matthias Platzeck installiert, weshalb vom ersten Tag an seine Loyalität zum Nachfolger immer wieder Gegenstand mal ernster, mal taktisch motivierter Zweifel war.

Heil ist zudem noch immer eng mit Platzeck, der wiederum ein Freund von Frank-Walter Steinmeier ist, weshalb Heil auch im Verdacht steht, den Außenminister auch als Kanzlerkandidaten zu bevorzugen, obwohl Steinmeier ja gerne so tut, als wolle er das eigentlich gar nicht werden.

Gorholt hat seinen Posten ebenfalls Platzeck zu verdanken. Andererseits kennt er den Leiter der Mainzer Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, aus gemeinsamen Juso-Zeiten - eine Sozialisierung, die in der SPD nie zu unterschätzen ist. Stadelmaier wiederum ist der engste Vertraute Becks, weshalb man anfangs dachte, Gorholt und Stadelmaier könnten die wichtigste Verbindung zwischen Berlin und Mainz bilden, was sich nur sehr in Maßen bewahrheitet hat.

Der X-Faktor

Heil und Gorholt haben im Haus Freunde und Gegner. Letztere rekrutieren sich aus Mitarbeitern, die entweder über den Führungsstil verstimmt sind oder andere Loyalitäten pflegen. Oder beides.

Heil wie Gorholt stehen zudem nicht im Ruf, das uneingeschränkte Vertrauen Becks zu genießen, wobei nicht klar ist, ob es eine Person, die sich dessen glaubhaft rühmen darf, in Berlin überhaupt gibt. Am weitesten hat es in dieser Hinsicht nach allgemeinem Dafürhalten Wolfgang Wiemer gebracht, Becks Büroleiter in Berlin.

Zum engen Umfeld Becks in Berlin gehört auch Pressesprecher Lars Kühn, der in derselben Funktion schon für Gerhard Schröder, Franz Müntefering und Matthias Platzeck gearbeitet hat. Kühn kann man durchaus vorwerfen, dass er die Bezeichnung Sprecher nicht immer verdient, weil er mitunter gerne schweigt. Ganz sicher nicht vorwerfen kann man Kühn, dass er es an Loyalität zu Kurt Beck habe fehlen lassen.

Der ganze Streit dreht sich nun darum, wer im Wahlkampf welche Rolle bekommt. Zum einen gibt es grundsätzliche Zweifel an den Fähigkeiten Heils und Gorholts, weil sie eine vergleichbare Aufgabe noch nie zu bewältigen hatten.

Heil muss zudem mit dem Vorwurf kämpfen, seinen Part als Chef der Wahlkampfzentrale Kampa 2009 am Montag aus lauter Ehrpusseligkeit vor der Presse stärker dargestellt zu haben, als sie in Wahrheit sein soll. Und dann gibt es da noch den ominösen Mister X, den sogenannten strategischen Koordinator.

Fest steht nur, dass die Besetzung dieses Postens sich letztlich danach richten soll, wer der Kanzlerkandidat der SPD wird - womit auch die ganze Sinnlosigkeit der Debatte offensichtlich wird: Denn genau diesen Kanzlerkandidaten kennt die SPD ja noch nicht.

© SZ vom 5.6.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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