Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern:Rot-Rot und die Braunen

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Zwei Dinge haben die Parteien vor den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern zu befürchten: eine niedrige Wahlbeteiligung - und den Einzug der NPD ins Parlament.

Arne Boecker

Kurt Beck, Angela Merkel, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine: Zum Ende des Wahlkampfes haben SPD, CDU und Linkspartei am Freitag noch einmal ihre Spitzenleute ins Land geholt.

Gregor Gysi im Wahlkampf: Alle Parteien haben vor der Wahl noch einmal ihre bekanntesten Gesichter ins Rennen geschickt. (Foto: Foto: ddp)

Zudem lief in Schwerin ein Rockkonzert unter dem Motto "Laut gegen rechts!"

Viele treibt die Sorge um, dass die NPD bei der Wahl am Sonntag ins Schweriner Schloss einziehen könnte.

Seit der Vereinigung war die Wahl im Nordosten stets auf den Tag gelegt worden, an dem auch der Bundestag zur Wahl stand. Jetzt erlebt Mecklenburg-Vorpommern eine Premiere: Alle Augen richten sich auf die Lage im Land. Neben der Frage, ob die Rechtsextremen in den Landtag einziehen, birgt die Frage nach der stärksten Partei Spannung: Kann Ministerpräsident Ringstorffs SPD die Verluste, die ihr laut Umfragen drohen, in Grenzen halten? Oder wird sie von der CDU überholt, die erstmals der Müritzer Landrat Jürgen Seidel anführt?

Das Rededuell, das sich Titelverteidiger Ringstorff und Herausforderer Seidel in dieser Woche im NDR-Fernsehen lieferten, bot ein Spiegelbild des Wahlkampfs. Obwohl Mecklenburg-Vorpommern unter der bundesweit höchsten Arbeitslosigkeit ächzt, war von neuen Ideen nicht die Rede. Dabei nennen 87 Prozent der Bürger die Arbeitslosigkeit als Problem, das sie am meisten bedrückt.

CDU-Spitzenkandidat Seidel hat am Donnerstag schnell noch ein Schattenkabinett aus dem Hut gezaubert. Darin finden sich mit Armin Jäger (Justiz) und Lorenz Caffier (Innenpolitik) nur zwei Mitglieder der Landtagsfraktion. Als Wirtschaftsminister möchte Seidel Bernd Fischer an seiner Seite sehen. Der ist Geschäftsführer im Tourismusverband, dem Seidel als Präsident vorsteht. Für Überraschung sorgte er mit der Nominierung von Claudia Nolte, die unter Helmut Kohl als Bundesfamilienministerin gewirkt hatte. Derzeit leitet sie die Dependance der Konrad-Adenauer-Stiftung in Belgrad.

Die Motivation der Bundestagswahl fällt weg

Weil es Mecklenburg-Vorpommern an städtischen Milieus fehlt, müssen die Kandidaten mühselig über die Dörfer tingeln. In diesem Jahr wurde ihnen, so die allgemeine Beobachtung, von der Bevölkerung besonders viel Desinteresse entgegengebracht. Politikwissenschaftler befürchten, dass die Parteien am Sonntagabend eine äußerst schwache Wahlbeteiligung beklagen werden - natürlich auch, weil die Bundestagswahl als Motivation wegfällt.

Thematisch standen dennoch bundespolitische Themen wie der Sozialabbau im Mittelpunkt, den viele mit dem Schlagwort Hartz IV verbinden. Zumindest zu Beginn taugte auch noch der Besuch des US-Präsidenten George W. Bush in Stralsund als Aufreger. Vor allem die Linkspartei wütet gegen die Kosten, die die Visite verursacht hat. Für "die teuerste Grillparty der Welt" müsse der Bund zahlen, schließlich habe die Kanzlerin den Präsidenten eingeladen.

Die CDU hat Mecklenburg-Vorpommern in den ersten acht Jahren nach der Vereinigung regiert, zum Teil in Koalitionen mit der FDP und mit der SPD. Die vergangenen acht Jahre hielten SPD und Linkspartei das Ruder. 1998 hatten sie sich zur ersten rot-roten Koalition auf Länderebene zusammengefunden, was vielfach auch Skepsis hervorrief. Sie gründete darauf, dass mit der PDS eine Partei an die Macht kam, die in der Nachfolge der SED stand. Die Aufgeregtheiten sind heute kaum noch nachzuvollziehen. Die drei Linkspartei-Minister arbeiten geräuschlos in der Regierung mit, was ihre Parteibasis allerdings gelegentlich auf die Barrikaden treibt.

Die CDU lähmte sich über Jahre selbst

Die SPD ist in den vergangenen Jahren völlig im Schatten von Harald Ringstorff verschwunden. Er ist der mit Abstand beliebteste Politiker zwischen Ostsee und Müritz. Ringstorff, der in wenigen Tagen seinen 67.Geburtstag feiert, hatte eigentlich schon in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode abtreten wollen. Weil aber Agrarminister Till Backhaus als Kronprinz schwächelte, hat Ringstorff beschlossen, den Karren noch ein Stück weiter zu ziehen.

Die CDU dagegen lähmte sich über Jahre selbst. Die Parteispitze stritt lieber miteinander als mit dem politischen Gegner. Eckhard Rehberg, der als Partei- und Fraktionsvorsitzender besonders scharf gegen Freund und Feind zu reiten pflegte, sitzt inzwischen im Bundestag. Sein Nachfolger Jürgen Seidel gilt als Charakter, der stets den Ausgleich sucht. Die FDP sehen die Umfragen knapp über, die Grünen knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Wenn die Demoskopen Recht behalten, dürfte die SPD die zehn Prozent Wählerstimmen einbüßen, die sie 2002 vor der CDU gelegen hatte; vielleicht sogar mehr. Beide rangeln im 30-Prozent-Bereich miteinander, die Linkspartei könnte sich von 16 auf 20 Prozent verbessern. Sozialdemokraten und Sozialisten haben im Unterschied zu 2002, wo sie ihre Wiederwahl schafften, auf eindeutige Koalitionsaussagen verzichtet. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass es in Schwerin bei Rot-Rot bleibt - sofern das die Zahlen erlauben.

© SZ vom 16.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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